Evangelischer Bischof kritisiert Prozess gegen "Pussy Riot" - und die russisch-orthodoxe Kirche

Neuer Zündstoff

Der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Martin Schindehütte, hat die russisch-orthodoxe Kirche scharf kritisiert. Deren Haltung zum Prozess gegen die Punkband "Pussy Riot" sei ihm "völlig unverständlich". Es sind nicht die ersten Irritationen im Verhältnis der beiden christlichen Kirchen.

 (DR)

Er hoffe sehr auf einen Freispruch für die drei Bandmitglieder Marija Aljochina, Jekaterina Samuzewitsch und Nadeschda Tolokonnikowa am Freitag in Moskau, sagte Schindehütte am Dienstag in Hannover.



Die Musikerinnen hatten im Februar vor dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale mit einem "Punk-Gebet" gegen Putin und die kirchliche Unterstützung für dessen Präsidentschaftskandidatur protestiert. Seit März sind sie in Untersuchungshaft.



Schindehütte, der die Hauptabteilung "Ökumene und Auslandsarbeit" im Kirchenamt der EKD leitet, bezog sich mit seiner Kritik unter anderem auf Äußerungen des Leiters der Abteilung des Moskauer Patriarchats für Kirchenbeziehungen mit der Gesellschaft, Wsewolod Tschaplin. Dieser hatte laut russischen Medienberichten eine entschiedene Reaktion eines christlichen Landes gefordert, "wenn einer seiner heiligen Orte attackiert wird". Tschaplin nannte es eine "antichristliche Idee" anzunehmen, "dass Gott alles vergibt".



Unterschiedlicher Umgang mit der Freiheit

Dazu sagte Schindehütte, dass die "Verletzung religiöser Gefühle" und die "Missachtung religiöser Bindungen" durchaus "ernsthafte Störungen des gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenlebens" seien. Deshalb könne und solle die Aktion von "Pussy Riot" in der Erlöserkirche auch nicht einfach übergangen werden. Aber, so Schindehütte weiter, das Gerichtsverfahren gegen die Gruppe und das zu befürchtende Strafmaß von drei Jahren Haft gehe "weit über jede denkbare angemessene Reaktion hinaus".



Der Prozess um "Pussy Riot" und die Unterstützung der Anklage durch die russisch-orthodoxe Kirche mache deutlich, so der EKD-Auslandsbischof, "wie unterschiedlich wir mit Fragen von Freiheit der Kunst und Freiheit der Religion in Europa umgehen". Der EKD liege daran, diese "unterschiedlichen Zugänge" gerade auch im zu Jahresende anstehenden Dialog mit der russisch-orthodoxen Kirche zur Rolle der Kirchen in einer multikulturellen Gesellschaft zu besprechen. Man wolle dort für einen "deutlich gelasseneren und nachsichtigeren Umgang mit solchen Provokationen" werben.



2009 beendet Moskau den Kontakt zur EKD

Die russische-orthodoxe Kirche hatte 2009 ihre Kontakte zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ausgesetzt. Hintergrund war die Wahl Margot Käßmanns zur Ratsvorsitzenden der EKD.  Eine Frau als Bischöfin widerspräche den evangelischen Prinzipien, sagte damals der Sprecher des Außenamtes des Moskauer Patriarchats. Deshalb könne es keine Kirchenbeziehungen geben.