Als der evangelische Theologe vor fast 25 Jahren seine muslimische Frau Müzeyyen Dreessen kirchlich heiraten wollte, gab es viele "Mauern". Doch schließlich standen die Eheleute in Duisburg vor dem Traualtar. Ein sogenannter "Gottesdienst anlässlich einer Eheschließung" sei in der evangelischen Kirche auch möglich, wenn ein Partner nicht evangelisch ist, erklärt der Bonner Pfarrer Uwe Grieser. "Solche Anliegen nehme ich erst mal freudig entgegen", sagt der Beauftragte für den christlich-islamischen Dialog im Kirchenkreis Bonn. In den vergangenen zehn Jahren begleitete Grieser fünf muslimisch-christliche Paare vom Traugespräch bis zum Altar.
"Das ist nicht die Masse", sagt Grieser selbst. Doch die Anfragen kommen immer häufiger, bestätigt Rafael Nikodemus, der im Düsseldorfer Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland für den christlich-islamischen Dialog zuständig ist. Und zu vermuten ist, dass die Tendenz steigt. Denn die Zahl der Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund nimmt ständig zu, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden ermittelte. Und viele von ihnen sind keine Christen.
Deutsch-Türkische Eheschließungen häufigste Kombination
Seit 1950 wanderten 10,4 Millionen Menschen ein, 15 Prozent davon aus der Türkei - aus keinem anderen Land kamen mehr. So sind nach Angaben des Verbands binationaler Familien und Partnerschaften deutsch-türkische Eheschließungen die häufigste Kombination bei binationalen Ehen. 3.753 Trauungen waren es im Jahr 2006 - und fast alle Türken sind Muslime. Der Koran erlaubt auch gläubigen Männern, christliche oder jüdische Frauen zu heiraten. Nach strenger Auslegung ist es den Musliminnen aber verboten, einen "Ungläubigen" zu ehelichen.
Intensive Beratung für binationale Paare
Auch der Evangelischen Kirche in Deutschland ist diese Entwicklung bewusst, eine Handreichung aus dem Jahr 2006 zum Zusammenleben mit
Muslimen mahnt zur Vorsicht: Eine christliche Trauhandlung sei
"grundverschieden" von einer islamischen Eheschließung. Eine Zeremonie unter Beteiligung eines muslimischen Imams und eines Pfarrers führe in die Irre. Sie sei weder im rechtlichen Sinne eine islamische Eheschließung, noch eine evangelische Trauung. Eine intensive Beratung wird den Paaren empfohlen.
Wie wichtig bei diesen Gesprächen die seelsorgerliche Begleitung vor und natürlich auch nach der Eheschließung sei, betont Kirchenrat Nikodemus. "Wir lassen euch nicht allein damit", das sollten die Eheleute spüren. Denn manchmal brächen die Fronten in binationalen Ehen auch erst später auf, zum Beispiel bei der Entscheidung, ob die Kinder getauft werden sollen.
"Fragen tun sich auf, die in jedem Fall gelöst werden müssen", so Nikodemus. In der rheinischen Landeskirche gibt es daher eine Arbeitsgruppe, die konkrete Vorschläge präsentieren will, wie Gottesdienste anlässlich einer christlich-muslimischen Eheschließung abgehalten werden könnten. Denn derzeit hänge die Gestaltung von der persönlichen Prägung des Pfarrers ab, sagt Nikodemus - wobei die Zeremonie "eindeutig ein evangelischer Gottesdienst" bleiben müsse.
Vom Koran bis zum "Ave Maria"
Pfarrer Grieser hat schon mehrere Hochzeitsgottesdienste mit
muslimisch-christlicher Beteiligung abgehalten: Bei einer Ansprache nahm er Bezug auf einen Koranvers. In einem anderen Gottesdienst sprach ein alevitischer Geistlicher ein Segensgebet. Wenn sich ein Brautpaar das katholische "Ave Maria" wünscht, werde das schließlich auch berücksichtigt, so Grieser. Für den evangelischen Pfarrer ist es ein Zeichen von Gastfreundschaft - auch gegenüber den andersgläubigen Menschen im Gottesdienstraum - wenn die traditionellen Abläufe der evangelischen Trauung ergänzt werden. "Das Ritual bleibt das Gleiche, ich füge nur etwas hinzu, und gebe dem Gast ein Zeitfenster." Wirklich wichtig sei schließlich,
dass die Paare um Gottes Segen bitten.
Das wollten auch die Dreessens, als sie 1984 vor dem Traualtar standen. Rückblickend zitiert Müzeyyen Dreessen gern ein islamisches Sprichwort: Eine Ehe, in der Kinder geboren werden, ist eine gesegnete Ehe. Die Dreessens haben drei Kinder.