Evangelische Kirche in Mitteldeutschland spendet Steuerplus

Mehreinnahmen an Bedürftige weitergeben

Die Bundesregierung hat einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen einmalig 300 Euro gewährt. Durch diese Energiepreispauschale fließt auch mehr Geld in die Kirchensteuer. Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland spendet das Plus.

Essensausgabe für Bedürftige / © Corinne Simon (KNA)
Essensausgabe für Bedürftige / © Corinne Simon ( KNA )

DOMRADIO.DE: Überall heißt es, die Energiepreispauschale sei zu gering bemessen. Nun fließt dadurch aber auch mehr Geld in die Kirchensteuereinnahmen. Sie bekommen von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland einen Überschuss von rund 1,2 Millionen Euro gespendet. Wie kommt eine solche Summe überhaupt zustande?

Einkaufstrolleys vor Essensausgabe / © Harald Oppitz (KNA)
Einkaufstrolleys vor Essensausgabe / © Harald Oppitz ( KNA )

Christoph Stolte (Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland): Die 300 Euro, die jeder Beschäftigte als Energiepreispauschale bekommt, sind steuerpflichtig. Die Kirchensteuer ist eine Annexsteuer (Eine Steuer, die an der Höhe einer anderen Steuer gekoppelt ist, Anm. d. Red.) zur Lohnsteuer. Deshalb gibt es diese außerplanmäßigen Steuereinnahmen in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland.

DOMRADIO.DE: Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland könnte das Geld selber vielleicht auch ganz gut gebrauchen, um ihre Räume zu heizen. Sie hat sich aber bewusst entschieden, Menschen beispielsweise über die Tafeln zu unterstützen. Warum gerade die Tafeln?

Christoph Stolte, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland

"Die Kirche will kein Gewinner der höheren Energiekosten sein"

Stolte: Die Kirche will kein Gewinner der höheren Energiekosten sein, die durch den Krieg gegen die Ukraine entstehen. Vielmehr gibt sie das Geld vollständig an die Diakonie als Sozialverband der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland weiter.

Wir werden dadurch Projekte, Strukturen und Einrichtungen für arme Menschen unterstützen. Das sind die Tafeln, das sind Bahnhofsmission, das sind Wärmestuben sowie Suppenküchen. Die bekommen von uns Geld, damit sie ihre Struktur und damit die Menschen vor Ort stärken können, indem sie Lebensmittel zukaufen können. Denn wir haben das Problem, dass die Tafeln immer weniger Lebensmittel von den Supermärkten bekommen.

Diese Unterstützung ist uns einerseits wichtig. Zudem ist es auch wichtig, dass wir Menschen, die unmittelbare Not haben, auch mit Geld helfen können.

DOMRADIO.DE: Vielfach wird moniert, dass es weniger Tafeln gibt, da die Lebensmittel aus den Supermärkten dort nicht mehr ankommen. Gleichzeitig nehmen immer mehr Menschen die Tafeln in Anspruch. Wie wollen Sie denn in dieser Situation versuchen, bei den Tafeln was zu ändern?

Essensausgabe für Bedürftige / © Harald Oppitz (KNA)
Essensausgabe für Bedürftige / © Harald Oppitz ( KNA )

Stolte: Zum einen ist es schon mal sehr positiv, dass die Supermärkte weniger Lebensmittel wegschmeißen. An manchen Orten haben wir Rückgänge, das stimmt, aber nicht überall. Die Tafeln werden auch Lebensmittel zukaufen, damit die Menschen unterstützt werden.

Es sind deutlich mehr Menschen, die zu den Tafeln kommen. In diesem Jahr ist es schon durch die geflüchteten Menschen aus der Ukraine eine große Anzahl mehr. Aber es werden inzwischen auch wesentlich mehr Menschen berechtigt sein, zu den Tafeln zu gehen, unter anderem dadurch, dass sie Wohngeldempfänger werden.

Wir haben gleichzeitig auch die große Sorge, dass das Geld, was die Bundesregierung zum Beispiel durch das erhöhte Wohngeld in den nächsten Monaten zur Verfügung stellt, gar nicht bei den Menschen ankommt, weil die Verwaltungsvorgänge viel zu lang sind.

DOMRADIO.DE: Müssen sich die Tafeln auch nach mehr Mitarbeitenden umsehen, wenn der Zulauf immer größer wird?

Christoph Stolte, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland

"Unsere Not besteht vielmehr darin, dass die Tafeln sehr unstet finanziert sind"

Stolte: Ja. Die Tafeln werden zum Großteil von Ehrenamtlichen getragen, die dort für einige Stunden oder einen Tag helfen. Es gibt viele Menschen, die bereit sind, sich da zu engagieren. Das ist nicht unsere Not, engagierte Menschen zu finden.

Unsere Not besteht vielmehr darin, dass die Tafeln sehr unstet finanziert sind. Wir sehen jetzt die Chance, mit den außerplanmäßigen Kirchensteuern in die Struktur zu investieren, mal ein neues Kühlfahrzeug zu kaufen und auf energiesparende technische Geräte umzusteigen oder in die Gebäude zu investieren, damit die Tafeln einen längeren Bestand haben.

DOMRADIO.DE: Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland ist nicht die einzige Kirche, die von der zusätzlichen Kirchensteuer profitiert. Könnte das auch andere inspirieren, es ihnen gleich zu tun? Das Bistum Erfurt hat auch eine Spende an die Caritas angekündigt.

Stolte: Ja, das Bistum Erfurt verfährt gleichermaßen. Es gibt eine Absprache zwischen den evangelischen Kirchen in Deutschland und den katholischen Bistümern, dass flächendeckend in Deutschland so verfahren werden soll.

DOMRADIO.DE: Sie haben die Tafel als Beispiel für die Unterstützung angeführt. Sie haben aber noch andere Projekt, die unterstützt werden. Es soll auch keiner in diesem Winter frieren.

Stolte: So ist es. Unter dem Hashtag "Wärmewinter" haben wir einen Aufruf an unsere Kirchengemeinden gestartet, sich Projekte zu überlegen, wie sie in diesen Winter warme Räume zur Verfügung stellen können, wie sie den Menschen ein Zuhause bieten können, und wie sie auch auch in Suppenküchen investieren können, damit Menschen, die einfach nicht über den Monat kommen, weil ihr Geld nicht reicht, unterstützt werden.

Diese innovativen Projekte werden wir finanziell aus den Kirchensteuermitteln unterstützen, damit Menschen auch wirklich zusammenkommen können.

Das Interview führte Dagmar Peters.

Sozialverbände rufen zum Spenden des Energiegeldes auf

Wer nicht auf das Energiegeld in Höhe von 300 Euro angewiesen ist, der möge es spenden - dazu rufen mehrere Landesverbände der Caritas auf. Einrichtungen und Dienste des Sozialverbandes erlebten "aus nächster Nähe, wie steigende Energiepreise den Alltag einkommensarmer Menschen existenziell bestimmen und sie in Zahlungsschwierigkeiten bringen", heißt es in dem Appell. Caritas International warnte zudem vor einer globalen Hungersnot, "wie sie die Welt lange nicht mehr erlebt hat".

Helferinnen in einer Essensausgabe in Köln / © Harald Oppitz (KNA)
Helferinnen in einer Essensausgabe in Köln / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR