Euskirchener Pfarrer erzählt wie er die Flut 2021 erlebt hat

"Es tauchte ein Mann auf, wie ein Schutzengel"

Der Euskirchener Pfarrer José Pérez Pérez hat die Flut 2021 miterlebt, als er alleine im Pfarrhaus war. Er hat es einem anonymen Schutzengel zu verdanken, dass er heute noch lebt. Bis heute verfolgt ihn die Flutnacht noch manchmal.

Die EifelflutKreuze werden am Jahrestag in der beschädigten Iversheimer Dorfkirche aufgestellt sowie in der Erft und Ahr
 / © Stefan Strabelzi/Gabriele Franke (privat)
Die EifelflutKreuze werden am Jahrestag in der beschädigten Iversheimer Dorfkirche aufgestellt sowie in der Erft und Ahr / © Stefan Strabelzi/Gabriele Franke ( privat )

DOMRADIO.DE: Als Euskirchen von der Flut heimgesucht worden ist, waren Sie auch hier vor Ort. Wie haben Sie die Nacht erlebt?

José Pérez Pérez (Pfarrer): Es war eine furchteinflößende Nacht. Es war der Geburtstag meines verstorbenen Vaters. Das ist sowieso ein trauriger Tag. Ich war ganz allein hier im Pfarrhaus. In dem Haus nebenan wohnte ja kurz zuvor noch der Pfarrer Max Offermann, aber der war ja verstorben. So war ich in den zwei Häusern der Einzige.

Wenn man das nie erlebt hat, kriegt man es mit der Angst zu tun. Man hat ja niemanden und weiß nicht, wie man reagieren soll. Die beiden Häuser waren umgeben von vier Flüssen. Es waren reißende Flüsse und dreckiges Wasser. Dunkelbraun, ein Rauschen, laut. Natürlich hörte auch der Strom auf zu fließen.

Pfarrer José Pérez Pérez war während der Flutnacht alleine im Pfarrhaus in Euskirchen. / © privat
Pfarrer José Pérez Pérez war während der Flutnacht alleine im Pfarrhaus in Euskirchen. / © privat

Um kurz nach Mitternacht war es in der Innenstadt Euskirchen ohne Strom. Man war also isoliert. Man war nicht mehr erreichbar, per Handy, per Festnetz und natürlich ohne Strom. Ganz dunkel. Man ist in einem Schockzustand. Das Erste, was ich dachte was zu retten ist? Ich dachte an den Wagen, der in der Garage stand. Und dann bin ich in die Fluten gesprungen.

José Pérez Pérez,

"Er hat mich festgehalten und er hat gesagt: 'Du Wahnsinniger, wo willst du hin?'"

Es tauchte ein Mann auf, ich weiß nicht, wo er herkam, wie ein Schutzengel. Er hatte so einen speziellen Anzug an, wie ein Angleranzug, der war gut gerüstet. Hier an der Wand, in der Breite Straße, hat er mich festgehalten und er hat gesagt: 'Du Wahnsinniger, wo willst du hin?' In meinem Schockzustand habe ich dann geantwortet: 'Ich möchte den Wagen in der Garage retten.' Da sagte er: 'Komm her und geh wieder ins Haus, damit dir nichts passiert.' Wenn der nicht gewesen wäre, wäre ich von den Fluten ja einfach mitgerissen worden. Wir hatten einige Tote hier in der Stadt Euskirchen. Dazu hätte ich auch gehört. Es war ganz, ganz schrecklich. So was habe ich noch nie erlebt und möchte ich auch in Zukunft, wenn Gott will, nicht wieder erleben.

DOMRADIO.DE: Wie ging es dann weiter?

Pérez: In den ersten Tagen konnten ja keine Gottesdienste stattfinden. Wir haben drei Seelsorge-Bereiche hier, 22 Kirchen, vier Kapellen und einige Kirchen in der Umgebung, in den Dörfern. Die waren zerstört. Da konnten keine Messen stattfinden. Wir haben dann die Kirchen, besonders hier in Innenstadt, die Herz Jesu Kirche, da war der ganze Keller überflutet, der Kirchenraum Gott sei Dank nicht, aufgemacht und Gebete für die Gemeinde angeboten. Dort haben wir dann für die Opfer gebetet.

DOMRADIO.DE: Gab es in den ersten Tagen nach der Flut denn schon ein Bedürfnis nach Seelsorge?

José Pérez Pérez,

"So geht es mir auch, immer wenn ich Regen höre und besonders dann, wenn der Himmel sich auftut und dann auf einmal Sturm und viel, viel Regen kommt."

Pérez: Auf jeden Fall. Besonders war ihnen nach Reden zumute. Viele waren ja geschockt, viele waren traumatisiert und das alles musste auch mal in Sprache übersetzt werden. Einige konnten sprechen, einige nicht. Aber es gibt immer noch viele, viele Menschen, die traumatisiert sind und die immer wieder sagen, dass es ihnen sehr schlecht geht, auch nach zwei Jahren noch.

So geht es mir auch, immer wenn ich Regen höre und besonders dann, wenn der Himmel sich auftut und dann auf einmal Sturm und viel, viel Regen kommt. Da wird einem anders, das spüre ich auch. Der Atem wird schneller, das Herz pocht schneller. Das ist nicht ohne. Viele, viele Menschen brauchten auch geistliche und psychologische Hilfe, nach der Flut.

DOMRADIO.DE: Wie kann, in Ihren Augen, der Glaube helfen, einen Zugang zu den Menschen zu bekommen?

Pérez: Man kennt ja den Satz 'Not lehrt beten' und das haben wir auch gesehen. Unseren Kirchen standen auf und Menschen sind da hingekommen, die eigentlich keinen Zugang mehr zu den Kirchen hatten. Und sie haben ja auch bestätigt, dass sie es gutgeheißen haben, dass unser Pastoralteam und Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort waren um zu sprechen.

Und auch, dass der Glaube ihnen sehr geholfen hat in ihrer Situation, die ja nicht zu begreifen ist. Wenn man Menschen verloren hat durch die Flut oder das, was einem lieb war und die Erinnerungen, die Erinnerungsstücke, alles, was einem Heimat gegeben hat. Die Wohnung ist ja wie eine Heimat und auf einmal war sie weg. Weggerissen von der Flut. Da sagten mir viele Menschen, dass sie auch eine Stütze und Hilfe im Glauben an Gott gefunden haben. Das hörte ich immer wieder.

Das Interview führte Alexander Foxius.

Die Hochwasserkatastrophe 2021

Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 kamen nach tagelangem Dauerregen in Deutschland mindestens 184 Menschen ums Leben: In Rheinland-Pfalz starben 136 Menschen und eine Person gilt als vermisst, in Nordrhein-Westfalen gab es 49 Tote. Mehr als 800 Menschen wurden verletzt. Ganze Orte wurden zerstört, Häuser, Betriebe, Infrastruktur und öffentliche Gebäude wie Krankenhäuser oder Kultureinrichtungen beschädigt.

 Flutschäden entlang der Ahr
 / © Harald Oppitz (KNA)
Flutschäden entlang der Ahr / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR