Europäischer Gerichtshof erlaubt Kopftuch-Verbot im Job

Spielraum für religiöse Diskriminierung?

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Der Arbeitgeber darf das Tragen eines Kopftuches verbieten – aber nur unter bestimmten Umständen. Kritiker fürchten eine Einschränkung der Religionsfreiheit.

Frau mit Kopftuch bei Berufsmesse  / © Sebastian Willnow (dpa)
Frau mit Kopftuch bei Berufsmesse / © Sebastian Willnow ( dpa )

Arbeitgeber dürfen Kopftücher am Arbeitsplatz laut Europäischem Gerichtshof verbieten. Allerdings darf ein solches Verbot nicht nur Symbole des muslimischen Glaubens treffen und auch nicht einfach deshalb verfügt werden, weil sich Kunden an dem Kopftuch stören. Das geht aus zwei am Dienstag in Luxemburg verkündeten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Fällen in Frankreich und Belgien hervor. (C-188/15 und C-157/15).

In Deutschland sind Kopftücher am Arbeitsplatz im Prinzip erlaubt, Einschränkungen sind aber möglich – es ist am Ende Abwägungssache. Bei der Beurteilung müssen sich deutsche Gerichte künftig an die Klarstellungen des EuGH halten.

Klage von Rezeptionistin

So entschied das Bundesarbeitsgericht 2002, einer Kaufhausverkäuferin habe wegen Tragens eines islamischen Kopftuchs nicht gekündigt werden dürfen. Das Bundesarbeitsgericht urteilte 2014 aber auch, dass kirchliche Arbeitgeber das Tragen des muslimischen Kopftuchs im Dienst in der Regel verbieten dürfen.

Anlass der aktuellen EuGH-Urteile sind Klagen muslimischer Frauen. In Belgien war der Rezeptionistin Samira A. nach drei Jahren Arbeit in einem Sicherheitsunternehmen entlassen worden. Zuvor hatte sie angekündigt, das Kopftuch künftig auch während der Arbeitszeit tragen zu wollen. Das widersprach jedoch der internen Arbeitsordnung, die sichtbare Zeichen von "politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugungen" nicht erlaubte.

Unter diesen Umständen stelle ein Kopftuchverbot keine unmittelbare Diskriminierung dar, erklärten die Luxemburger Richter. Allerdings könne es um "mittelbare Diskriminierung" gehen, also eine Regelung, die Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung besonders benachteiligt. Dies könne jedoch gerechtfertigt sein, etwa um politische, philosophische oder religiöse Neutralität gegenüber Kunden zu wahren. Relevant sei auch, ob die Regelung nur Angestellte mit Kundenkontakt betreffe.

Weitere Entscheidungen in Begien und Frankreich

Etwas unklarer ist der Fall aus Frankreich. In dem französischen Fall hatte Asma Bougnaoui von 2008 an als Projektingenieurin für eine IT-Firma gearbeitet, wie der EuGH im Verlauf des Prozesses erklärt hatte. Sie trug dabei einen Hidschab, der Haar und Nacken bedeckt, aber das Gesicht freilässt. Zu den Aufgaben der Ingenieurin gehörten Kundenbesuche. Dabei soll sich eine Kundenfirma über die Bekleidung beschwert haben. Wegen ihrer Weigerung, das Kleidungsstück abzulegen, wurde sie 2009 entlassen.

Hier sei unter anderem nicht klar, ob das Tragen des Tuchs gegen unternehmensinterne Regelungen verstoße, so die Richter. Das Verbot sei hingegen nicht gerechtfertig, wenn es allein aus dem Willen des Arbeitgebers entstehe, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, der seine Leistungen nicht von einer Frau mit Kopftuch erbringen lassen wolle.

Die konkreten Einzelfälle von Samira A. und Asma B. müssen nun Gerichte in Belgien und Frankreich nach Maßgabe der Luxemburger Richter entscheiden.

Kritik am Urteil

Kritik ernteten die Richtersprüche von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin. Es könne "für muslimische Frauen, die ein Kopftuch tragen, in Zukunft noch schwerer werden, in den Arbeitsmarkt zu kommen", erklärte die staatliche Stelle. Das Brüsseler Büro der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisierte, der EuGH verkenne die Religionsfreiheit. Religion sei "mehr als ein Aspekt privater Lebensführung", wie es der EuGH in seinen Ausführungen implizit unterstelle, sagte die Leiterin des Büros, Katrin Hatzinger, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Amnesty International bemängelte, die Richtersprüche eröffneten Arbeitgebern mehr Spielraum für religiöse Diskriminierung.

Katrin Göring-Eckardt (50), aus Thüringen stammende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, legt größten Wert auf freie Religionsausübung. Als "in einer Diktatur aufgewachsene" evangelische Christin setze sie sich "extrem dafür ein", dass muslimische Frauen beim Thema Kopftuch frei entscheiden können, sagte sie am Montagabend in Mülheim an der Ruhr.

"Die Freiheit, religiös zu sein oder es auch nicht zu sein, wird uns in unserem Land noch eine ganze Weile beschäftigen", so die frühere Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland bei den 52. Essener Gesprächen des Ruhrbistums zum Thema Menschenrechte in Staat und Kirche.

Werte Europas

Die Frauenrechtlerin Seyran Ates begrüßte hingegen die Urteile. "Die allerwenigsten Arbeitgeber wollen, dass in ihren Betrieben Religionskriege stattfinden oder aufgrund von religiösen Empfindlichkeiten die Atmosphäre zerstört wird", sagte sie SWR Aktuell. Auch der CSU-Europapolitiker Manfred Weber äußerte Zustimmung: "In Europa gelten die Werte Europas. Deshalb ist es richtig, dass Arbeitgeber das Tragen von Kopftüchern am Arbeitsplatz unter bestimmten Umständen untersagen können."


Quelle:
dpa , epd , KNA