Europäische Kirchen kritisieren geplante EU-Abschieberichtlinie

Würde des Menschen in Gefahr

Die europäischen Kirchen haben die geplante EU-weite Richtlinie über die Abschiebung von Flüchtlingen scharf kritisiert. Die Realität vieler Migranten und Flüchtlinge in den EU-Staaten werde darin nicht berücksichtigt, erklärten katholische, protestantische, anglikanische und andere Geistliche am Freitag in Brüssel. Problematisch sei unter anderem, dass die Abschiebehaft künftig bis zu 18 Monate dauern dürfe, hieß es.

 (DR)

Die Kirchen forderten weiter, das geplante Verbot der Wiedereinreise in die EU auf außergewöhnliche Fälle zu begrenzen und für die freiwillige Ausreise eine Frist von mindestens 30 Tagen zu gewähren.

Die Kirchen teilten die Forderung der europäischen Regierungen und Bürger nach Rechtsstaatlichkeit, hieß es. Es gelte jedoch, die Würde jedes einzelnen Menschen zu achten. Unterzeichner der Erklärung waren die ökumenische «Konferenz europäischer Kirchen», die katholische EU-Bischofskonferenz, Caritas Europa sowie die «Kommission der Kirchen für Migranten in Europa». Die Organisationen hatten zuvor bereits einen Brief an die Mitglieder des EU-Parlaments gesandt.

Die EU-Innenminister hatten sich auf die umstrittenen gemeinsamen Regeln für Mindeststandards bei Abschiebungen geeinigt. Sie billigten am Donnerstag in Luxemburg einen entsprechenden Gesetzentwurf. Danach können Ausländer ohne gültige Papiere künftig im Grundsatz bis zu sechs Monate in Abschiebehaft genommen werden, unter bestimmten Umständen auch zwölf Monate länger. Illegale Ausländer können danach künftig auch mit einem Wiedereinreiseverbot von bis zu fünf Jahren belegt werden.

Zuletzt war unter den EU-Staaten noch strittig, unter welchen Umständen von Abschiebung bedrohte Ausländer Prozesskostenhilfe erhalten können, wenn sie gegen die Verfügung klagen. Die EU-Minister einigten sich darauf, diese Hilfe gemäß den in den jeweiligen Staaten allgemein für Prozesskostenhilfe geltenden Regeln zu gewähren. In Deutschland bedeutet dies, dass eine gewisse Erfolgsaussicht gegeben sein muss. Nach Angaben von EU-Diplomaten machten Griechenland, Malta und Zypern auch am Donnerstag noch Vorbehalte geltend.

Kritik von Kirchen und Flüchtlingsorganisationen
Kirchliche Institutionen, Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen hatten schon in der Vergangenheit den Kompromissvorschlag kritisiert. Sie lehnen unter anderem die Dauer von bis zu 18 Monaten Abschiebehaft als zu lang ab. Sie sprachen sich auch dagegen aus, dass auch Minderjährige in Abschiebehaft kommen sollen. Die Kirchen und Nichtregierungsorganisationen kritisieren ferner, dass für illegale Ausländer ein Wiedereinreiseverbot von bis zu fünf Jahren für die gesamte EU möglich werden soll.

Die EU-Präsidentschaft erklärte dagegen, das neue EU-Gesetz sehe «faire und transparente» Verfahren für illegale Ausländer vor. Entscheidungen über Abschiebungen würden von Fall zu Fall getroffen und objektiven Kriterien unterworfen. Auch EU-Kommissions-Vizepräsident Jacques Barrot sagte, er sei zuversichtlich, dass der gefundene Kompromiss die Bedenken von Nichtregierungsorganisationen und Kirchen beschwichtigen könne. Er kündigte an, die EU-Kommission werde darauf achten, dass vor allem die Vorschriften zum Schutz von Kindern korrekt umgesetzt würden.

Schäuble: Deutschland muss Gesetze nicht ändern
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, Deutschland müsse wegen der neuen EU-Richtlinie seine Gesetze in der Substanz nicht ändern. Damit werde aber erreicht, dass in der EU die gleichen Standards gälten.

Damit das EU-Gesetz in Kraft treten kann, muss zunächst das Europaparlament zustimmen. Die Abgeordneten entscheiden darüber voraussichtlich am 18. Juni in Straßburg. Die slowenische EU-Präsidentschaft äußerte die Hoffnung auf eine Einigung mit dem Europaparlament noch in erster Lesung. Der am Donnerstag gebilligte Kompromiss war in Absprache mit dem Europaparlament ausgearbeitet worden. Danach folgt noch die formelle Verabschiedung durch die EU-Innenminister.