Europaabgeordneter Brok zum EU-Türkei-Gipfel

"Schließung der Balkanroute ist unverantwortlich"

Gibt es eine Lösung in der Flüchtlingspolitik? Darüber beraten EU-Staats- und Regierungschefs heute mit der Türkei in Brüssel. Mit verhaltenem Optimismus blickt der Europaabgeordnete für die EVP-Fraktion, Elmar Brok, auf den Gipfel.

Flüchtlingslager an der griechisch-mazedonischen Grenze / © Nake Batev (dpa)
Flüchtlingslager an der griechisch-mazedonischen Grenze / © Nake Batev ( dpa )

domradio.de: Auf dem heute beginnenden Türkei-Gipfel der EU sollen Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise beschlossen werden. Doch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist skeptisch, wenn es um die Erfolgschancen des Treffens geht. Den endgültigen Durchbruch werde es wohl nicht geben, so Schulz. Teilen Sie die Meinung des Parlamentspräsidenten?

Elmar Brok: So weit würde ich nicht gehen. Wir wissen, dass es Probleme gibt. Wir wissen aber auch, dass der Druck, eine Lösung zu finden, sehr groß ist. Ich hoffe, dass die Verhandlungen reichen werden, die Klarheit in vielen Punkten erzielen zu können.

domradio.de: Was sind Ihre Erwartungen? Der ungarische Ministerpräsident Victor Orban will ja erst einmal keinen Deal mit der Türkei eingehen.

Brok: Das werden wir sehen, ob er das durchhalten wird. Denn, wenn wir keinen Deal mit der Türkei machen, werden mehr Menschen kommen. Wir werden dann mehr Opfer im Mittelmeer haben. Wir werden weiteren Druck auf Griechenland haben. Und ich glaube auch, die Politik, die Balkanroute unter solchen Gesichtspunkten zuzumachen, ist unverantwortlich.

domradio.de: Österreich will die Route über den Brenner schließen, Bundeskanzler Faymann fordert von Kanzlerin Merkel einen Kurswechsel. Deutschland und Österreich waren einmal so etwas wie Partner in Sachen Flüchtlingspolitik, ist das jetzt vorbei?

Brok: Es ist immer einmal etwas beendet worden und dann kommt es wieder. Ich glaube, dass der Druck der Verhältnisse vielleicht zu einem Kompromiss führen wird. Der Weg, Grenzen in Europa zu schließen, scheint mir kein so guter Weg zu sein als hier eine Vereinbarung zu treffen, die es durch entsprechende Unterstützung möglich macht, die Menschen in größerem Umfang dort in den Ländern in Lagern zu halten. Ansonsten sollte ein geregeltes Verfahren erzielt werden, die Außengrenzen zu schützen, aber auch die Zusammenarbeit mit den Nachbarn - in diesem Fall mit der Türkei - sollte im Blick gehalten werden. Die Flüchtlingszahlen zu verringern, scheint mir besser zu sein, als Europa mit Zäunen zu durchziehen.

domradio.de: Finden Sie das Verhalten Österreichs und anderer Länder wie Ungarn, die ihre Grenzen schließen, unchristlich?

Brok: Ich halte es für unchristlich, wenn man nicht an einer Alternative arbeitet, die Leute vor den Zäunen stehen zu lassen. Deswegen halte ich Menschen, die Grenzen schließen, ohne sicher zu stellen, dass Menschen in diesem Umfang gar nicht mehr kommen und eine vernünftige Versorgung zuhause haben, für unchristlich.

domradio.de: Wie fühlen Sie sich derzeit als Deutscher im EU-Parlament? Isoliert?

Brok: Nein. Es gibt viele, die das unterstützen. Es gibt viele, die die Politik von Angela Merkel mit Bewunderung betrachten und ich fühle mich deswegen nicht isoliert, sondern sehe, dass viele an einem solchen Projekt mitarbeiten. Ob es alle sein werden, ist eine andere Frage. Deswegen sollte man es nicht auf die Frage reduzieren, ob Kanzlerin Merkel isoliert ist, oder nicht. Ich glaube, dass wir Fortschritte machen werden und es in die richtige Richtung gehen wird. Jedenfalls habe ich den Optimismus nicht aufgegeben.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Information: Der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) im Europäischen Parlament gehören hauptsächlich die Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP) an, einer christdemokratisch-konservativen europäischen Partei.


Elmar Brok / © Julien Warnand (dpa)
Elmar Brok / © Julien Warnand ( dpa )
Quelle:
DR