EU-Minister: Experten sollen Lage der Irak-Flüchtlinge prüfen - Erst dann wird über Aufnahme entschieden

Prüfen, bis es nichts mehr zu prüfen gibt?

Verfolgte Minderheiten unter den Irak-Flüchtlingen müssen weiter auf eine Entscheidung warten, ob und wenn ja wie viele von ihnen in die EU kommen können. Einen Beschluss über ein EU-Programm zur Neuansiedlung von Irakern haben die EU-Innenminister am Donnerstag in Brüssel erneut vertagt. Die Entscheidung könnte damit frühestens bei ihrem letzten Treffen in diesem Jahr am 27. November fallen.

 (DR)

Dann liegt womöglich ein Bericht von EU-Experten vor, die Anfang November Syrien und Jordanien gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR besuchen sollen, um die Lage zu prüfen. Dass die besonders bedrohten Flüchtlinge, darunter vor allem Christen, Weihnachten schon in der EU feiern, wird damit aber eher unwahrscheinlich.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nannte es in Brüssel dennoch ein «positives Ergebnis», dass sich seine EU-Amtskollegen auf ein gemeinsames Programm mit dem UNHCR verständigt hätten. Das sei zunächst nicht überall so gesehen worden. In der Tat hatte etwa noch im Juni Sloweniens Innenminister Dragutin Mate erklärt, jedes Land müsse selbst entscheiden, wie viele Personen es aufnehme.
Schäuble hatte für seinen Vorstoß zur EU-weiten Aufnahme von bedrohten Christen unter den Irak-Flüchtlingen im April zunächst nur gedämpften Zuspruch erhalten.

Der Bundesinnenminister verwies darauf, dass Aussagen über Flüchtlingszahlen für die EU oder Deutschland unmöglich seien. Er widersprach damit dem Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), der die Aufnahme von 10.000 Flüchtlingen allein für Deutschland gefordert hatte. Schäuble unterstrich dagegen, Schätzungen des UNHCR besagten, dass nur drei Prozent aller Irak-Flüchtlinge nicht in die Heimat zurückkehren könnten. Das wären 60.000 Menschen. Von ihnen würden viele in den USA, Kanada oder auch Australien aufgenommen. Wie viele in die EU kommen, müsse sich zeigen. Für die EU-Ratspräsidentschaft nannte Frankreichs Einwanderungsminister Brice Hortefeux nach dem Treffen der Minister eine Größenordnung von 5.000 bis 10.000 Flüchtlingen.

Zudem hätten auch die Kirchenführer vor Ort immer wieder davor gewarnt, den «Irak von Christen zu entleeren», sagte Schäuble. Der Minister ließ allerdings durchblicken, dass er sich gewünscht hätte, die EU-Experten wären schon früher als jetzt geplant in die Region gereist. Tatsächlich hatten die EU-Innenminister bereits Ende Juli solche Kontakte angemahnt, um entscheiden zu können. Über den Sommer hat sich aber offenbar nichts getan.

Seit Wochenbeginn hatten sich die Appelle an Schäuble und die EU vermehrt, rasch zu handeln. Von der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland über Pro Asyl bis hin zur Flüchtlingsbeauftragten der Bundesregierung, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), reicht das Spektrum derjenigen, die schnelle Hilfe fordern. Der Innenminister erinnerte allerdings daran, dass ohnehin bereits jeden Monat 500 Flüchtlinge aus dem Irak nach Deutschland kämen, und zwar auf dem Weg normaler Asylanträge. Er verwies zudem darauf, dass Rückkehrprogramme der irakischen Regierung erste Erfolge zeigten. Die Lage im Land bessere sich.

Die Einschätzung des Ministers steht freilich im Widerspruch zur Meinung von Flüchtlingsexperten. Sie verlangen übereinstimmend schnelle Hilfe. Staatsministerin Böhmer: «Viele Angehörige nichtmuslimischer Minderheiten, hauptsächlich Christen, mussten aus dem Irak vor religiöser Verfolgung fliehen und sitzen nun in überfüllten Aufnahmelagern in Jordanien und Syrien fest.» Die Situation der Flüchtlinge werde immer schlimmer. «Diesem Drama können wir nicht länger tatenlos zuschauen», so die CDU-Politikerin. «Deutschland steht in der Pflicht, humanitäre Hilfe zu leisten.»