EU-Ausschussvorsitzender erklärt Antrag für unzulässig

Vorstoß für Sonntagsschutz droht zu scheitern

Der Vorstoß von Europaabgeordneten unter anderem aus den Unionsparteien, den Schutz des Sonntags in der künftigen EU-Arbeitszeitrichtlinie zu verankern, droht zu scheitern. Schuld sind offenbar juristische Probleme.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Das sagte der Vorsitzende des Europaparlaments-Beschäftigungsausschusses, der schwedische Sozialist Jan Andersson, am Dienstag in Brüssel. Das Europaparlament dürfe nämlich nicht in der zweiten Lesung eines Gesetzestextes neue Themen zur Diskussion bringen, die nicht in der ersten Lesung schon behandelt worden seien.

Die Änderungsanträge der Abgeordneten seien unzulässig, sie würden deshalb am Mittwoch nicht zur Abstimmung gestellt, so Andersson.
Tatsächlich war das Thema Sonntagsschutz vom Europaparlament 2005, als es erstmals über die Neuregelung der EU-Arbeitszeitrichtlinie beriet, noch nicht auf der Tagesordnung.

Alter Streit
Freilich war das nicht immer so. Der Streit um den arbeitsfreien Sonntag ist in der EU viel älter - und in der ersten Fassung der EU-Arbeitszeitrichtlinie von 1993 war der Sonntag sogar noch besonders geschützt. "Die Mindestruhezeit gemäß Absatz 1 schließt grundsätzlich den Sonntag ein", hieß es damals. Allerdings schränkten die EU-Staaten ein, bei der wöchentlichen Ruhezeit müsse die "Unterschiedlichkeit der kulturellen, ethnischen, religiösen und anderen Faktoren in den Mitgliedstaaten" beachtet werden.

Die Regelung hielt juristischer Prüfung nicht stand. Großbritannien ging gegen das EU-Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof vor - und erhielt in einem einzigen Punkt der Klage Recht, nämlich beim Streit um die Sonntagsarbeit. Die EU-Richter in Luxemburg entschieden 1996 gegen den arbeitsfreien Sonntag. Ihr Motiv: Die EU-Staaten hätten nicht ausreichend begründet, warum die Arbeitsruhe am Sonntag mehr als an einem anderen Tag dazu geeignet sein solle, Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer zu schützen.

Diesmal versprachen sich Europaabgeordnete bessere Chancen, den Schutz des Sonntags gerichtsfest in der EU-Arbeitszeitrichtlinie zu verankern. Sie plädierten nun dafür, in das EU-Gesetz zu schreiben, was schon 1993 beschlossen war; nämlich dass die "Mindestruhezeit grundsätzlich den Sonntag einschließt". Der Antrag stammt unter anderem von den CSU-Europaabgeordneten Anja Weisgerber und Gabriele Stauner sowie ihrem CDU-Kollegen Thomas Mann.

Deutsche arbeiten selten am Sonntag
Als Argument zogen sie neue Studien der EU-Stiftung für Lebens- und Arbeitsbedingungen "Eurofound" mit Sitz in Dublin heran. Diese stellte fest, Fehlzeiten und Krankheitszeiten stiegen deutlich in solchen Unternehmen, die auch an Sonntagen arbeiteten. Die Ausfälle seien 1,3 mal so hoch wie in Unternehmen, die keine Wochenend-Arbeit verlangten. Für die Europaabgeordneten ergab sich der Schluss, die negativen Folgen seien Ergebnis der gestörten gesellschaftlichen Beziehungen, insbesondere in der Familie.

Ob an Sonntagen gearbeitet wird oder nicht, das ist in den 27 EU-Staaten bislang und wohl auch künftig sehr unterschiedlich geregelt. Am häufigsten müssen Briten, Niederländer und Skandinavier auch am Sonntag in den Betrieb, am seltensten Portugiesen und Deutsche. Knapp 83 Prozent der Portugiesen konnten auf die "Eurofound"-Frage, wie oft sie sonntags arbeiten müssten, mit "nie" antworten. In Deutschland waren es immerhin noch fast 82 Prozent. In Schweden sind es am anderen Ende der Skala nicht einmal 60 Prozent der Beschäftigten, die nie sonntags arbeiten müssen.

Allerdings: Beobachter hatten ohnehin Zweifel, dass der Vorstoß der Abgeordneten auch bei den EU-Staaten mehrheitsfähig gewesen wäre. Gerade Frankreich, das noch bis Dezember die EU-Präsidentschaft ausübt, versucht derzeit die Regeln für die Sonntagsarbeit zu lockern.