DOMRADIO.DE: Was bedeutet die Seligsprechung von Eduard Profittlich für die katholische Kirche in Estland?
Dr. Thomas Schwartz (Hauptgeschäftsführer der Solidaritätsaktion Renovabis): Zunächst einmal glaube ich, dass die Kirche jetzt in der estnischen Nation angekommen ist. Er ist nicht nur ein Symbol für den ersten Märtyrer und ersten Seligen aus Estland.
In Estland stehen starke Säkularisierungstendenzen und eine große evangelische sowie orthodoxe Mehrheit einer geringen katholischen Minderheit gegenüber. Das ist ein Zeichen, dass die Katholiken in der Bevölkerung und auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind und zu Estland gehören.
DOMRADIO.DE: Was machte den Jesuiten als Menschen aus?
Schwartz: Wenn man seine Lebensbeschreibungen und Briefe liest, die er an seine Familie geschrieben hat, dann muss das ein unglaublich sympathischer und lebensfroher Mensch gewesen sein. Er schreibt öfter über sein gutes Verhältnis zum evangelischen Bischof von Tallinn.
Das geht nur dann, wenn man neben theologischer Klarheit menschliche Qualität mitbringt. Dadurch wurde er auch als Moselaner, als einer aus dem Bistum Trier und als einen Menschen aus dem Westen, bei den Menschen im Osten Europas willkommen geheißen. Ich glaube, er war ein sympathischer und netter Mensch.
DOMRADIO.DE: Was denken Sie, worin besteht sein Vorbild im Glauben?
Schwartz: Er ist ein guter Hirte gewesen. Er war einer, der nicht auf sich schaut, sondern auf die Bedürfnisse seiner Gemeinde. Der Papst hat ihm 1941 einen Brief geschrieben und gesagt, dass er immer das Wohl seiner Gemeinde in den Blick nehmen sollte.
Für Profittlich war seine Gemeinde so wichtig, dass er sein eigenes Schicksal hinter das Wohl und das Wehe seiner Gemeinde zu stellen hatte und deswegen im Land blieb. Auch wenn ihm klar sein musste, dass er verfolgt und gegebenenfalls mit seinem Leben bezahlen muss.
DOMRADIO.DE: Feiern nur die Katholiken die Seligsprechung oder ist das auch ein landesweites Ereignis?
Schwartz: Allein die Tatsache, dass die Seligsprechung auf dem zentralen Markt in Tallinn stattfindet und nicht in der kleinen überschaubaren diözesanen Kathedrale, ist ein Zeichen dafür, dass das ein Geschehen ist, dass die ganze Nation dort interessiert und involviert.
Die Esten sehen es als ein Zeichen, dass Menschen in einer Bedrohungssituation zu ihnen stehen und zu ihnen gestanden haben. Auch heute braucht Estland die Unterstützung wegen der Nähe zum Ukraine-Krieg und Russland.
Es ist ein Beispiel für ganz Estland und die ganze Nation feiert mit.
Das Interview führte Marcus Poschlod.