Verleihung des Ludwig-Mülheims-Theaterpreis 2019

"Es war für mich eine Überraschung"

​Fritz Kater, das Alter Ego des Theatermachers Armin Petras, ist mit dem Ludwig-Mülheims-Theaterpreis 2019 ausgezeichnet worden. Welche Theatererfahrungen hat er mit Kirche gemacht? Was bedeutet seine Schreibexistenz Fritz Kater?

Theatermacher Armin Petras - ausgezeichneter Theatermann - Fritz Kater ist sein Alter Ego / © Hirschbeck (Erzbistum Köln)
Theatermacher Armin Petras - ausgezeichneter Theatermann - Fritz Kater ist sein Alter Ego / © Hirschbeck ( Erzbistum Köln )

DOMRADIO.DE: Sie haben den Ludwig-Mülheims-Theaterpreis verliehen bekommen. War das für Sie eine Überraschung?

Armin Petras/Fritz Kater (Regisseur und Theaterautor): Das war auf jeden Fall eine Überraschung. Ich habe schon ein paar Preise in meinem Leben gewonnen, aber diesen Preis kannte ich noch gar nicht. Und dann noch von einem katholischen Stifter als Nicht-Katholik.

DOMRADIO.DE: Fritz Kater soll erste Theatererfahrungen in der DDR mit freien Gruppen im kirchlichen Bereich gemacht haben. War das auch bei Ihnen der Fall?

Armin Petras/Fritz Kater: Ich machte auch wie er vor dem Mauerfall in der DDR erste Regieerfahrungen. Da war ich erst 20 Jahre alt und habe auch in Kirchen gespielt. Das war in der Tat eine aufregende Sache, weil man sich von irgendwoher irgendwelche Scheinwerfer besorgt hat, um dann zu spielen. Und vor den Türen standen auch sehr oft hundert oder zweihundert Leute von der Stasi.

Das war eine aufregende und hochpolitische Theaterzeit. Den Dissidentengeist gab es eben auch in der Kirche. Dort sind auch heute noch berühmte Leute wie die Sängerin Bettina Wegener oder Stefan Krawczik aufgetreten.

DOMRADIO.DE: Welche Verbindung gibt es für Sie zwischen Kirche und Theater?

Armin Petras/Fritz Kater: Für mich ist Theater eine Art Agora im Sinne der griechischen Polis oder heute könnte man auch sagen eine Art Kirche, wo Menschen aus ganz verschiedenen Altersklassen und Bildungsmöglichkeiten Zugang haben. Sie sind sich nicht hundertprozentig einig in ihrem Glauben – das könnte der einzige Unterschied zu den Kirchen sein – und setzen sich in dem gemeinsamen Raum der so genannten Kirche über den Glauben auseinander.

Es ist ein Ort, der nichts mit Kommerz, nichts mit Geld, mit dem Herstellen und Verkaufen von Dingen zu tun hat, sondern wo man sich treffen, diskutieren, aber auch zuhören und fühlen kann. Ich glaube, das verbindet meine Vorstellung von Theater sehr stark mit meiner Vorstellung von Kirche. 

DOMRADIO.DE: Besuchen Sie auch christliche Kirchen?

Armin Petras/Fritz Kater: Ich gehe seit meiner Kindheit sehr, sehr gerne in Kirchen. Wie schon gesagt, im real existierenden Sozialismus waren Kirchen ein anderer Ort, wo es anders gerochen hat und aussah, wo man auch einmal alleine sein konnte, wo man andere Musik gehört hat. Das hat sich in meinem Leben durchgezogen. Ich gehe sehr gerne in katholischen Ländern wie in Südamerika in die Kirche, weil es dort sehr farbenprächtig ist, weil dort Rituale und Festivitäten ausgetragen werden.   

DOMRADIO.DE: Die Jury des Ludwig-Mülheims-Preises sieht in den Figuren der Theaterstücke von Fritz Kater "unbehauste Menschen". Was bewegt Sie, die Geschichten dieser Menschen zu erzählen?

Armin Petras/Fritz Kater: Ich bin immer viel unterwegs, und ich kenne ehrlicherweise gar nicht so viele andere Menschen als die, die ich beschreibe. Die Mehrzahl der Menschen, die ich kennengelernt habe, sind Menschen, die Probleme haben,einen Weg suchen oder in einer großen Krise stecken.

DOMRADIO.DE: Das Stück "Love you, dragonfly" widmen Sie "allen Menschen, die zu schwach sind, das Leben einfach so auszuhalten". Was heißt das, "einfach so"?

Armin Petras/Fritz Kater: Das ist ein Untertitel, und der Untertitel steht ganz bewusst neben dem Satz "Sechs Versuche zu einer Sprache des Glaubens". Und damit soll ausgedrückt werden, dass es sehr viele Menschen gibt, und das ist weder positiv noch negativ gemeint, die nicht ohne einen Glauben an etwas leben können oder wollen. Und vielleicht ist das ja gar kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke mit einem Glauben zu leben. In den sechs Kurzstücken von "Love you, dragonfly" wird gezeigt, wie Menschen versuchen mit einer Form von Glauben – zurechtzukommen. Das sind ganz verschiedene Formen wie zum Beispiel den Glauben an Liebe, Leben, Freiheit oder Fortschritt …

DOMRADIO.DE: Und der Glaube an Gott ist auch eines der Kurzdramen im Stück.

Armin Petras/Fritz Kater: Dieser Teil "Gott" ist wie viele Texte von Fritz Kater angelehnt an den katholischen französischen Romancier George Bernanos mit ähnlichen Figuren. Bei Kater geht es um eine junge Frau, die sich in einem Wald verläuft und von einem Fallensteller und Wilddieb missbraucht wird. Und trotzdem die Liebe zu Gott findet.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet es für Sie, Armin Petras und Fritz Kater zu sein?

Armin Petras/Fritz Kater: Ohne da zu viel zu verraten … ich glaube, für mich sind die zwei, drei schwierigsten Tage jedes Jahres die Verwandlung in Fritz Kater. Fritz Kater hat den großen Vorteil, dass er von den Stücken nicht leben muss. Das heißt, die Stücke sind nicht für einen Markt geschrieben, sondern sie sind dafür geschrieben, dass sie diskutabel sind. Ich hoffe, dass wenn es Kater nicht mehr gibt und nur noch seine Werke da sind, dass sie sich weiter mit anderen Autoren unterhalten werden.

Das Interview führte Birgitt Schippers.


Kolumba-Direktor Dr. Stefan Kraus, Armin Petras, Laudator Bernd Isele, Kuratoriumsvorsitzender Josef Sauerborn / © Schippers (DR)
Kolumba-Direktor Dr. Stefan Kraus, Armin Petras, Laudator Bernd Isele, Kuratoriumsvorsitzender Josef Sauerborn / © Schippers ( DR )
Quelle:
DR