Mitinitiator der Aktion #liebegewinnt zieht Fazit

"Es sind Tränen geflossen"

Seit Sonntag haben schon über 100 Gottesdienste unter dem Motto #liebegewinnt stattgefunden. Auch in der Hammer Gemeinde von Pfarrer Bernd Mönkebüscher haben sich homosexuelle Paare segnen lassen. Es wurde recht emotional.

Mann mit einer Regenbogenfahne / © lazyllama (shutterstock)
Mann mit einer Regenbogenfahne / © lazyllama ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie ist es denn gestern gewesen, wie viele Menschen waren da? Wie haben sich die Gesegneten gefühlt?

Pfarrer Bernd Mönkebüscher (Pfarrer in der Gemeinde Sankt Agnes in Hamm): Es war ein total bewegender Gottesdienst. Es waren circa 35 Paare da, auch Einzelpersonen. Wir waren also coronabedingt im Kirchenraum gut besetzt. Es war sehr bewegend. In dem Moment des Segnens sind ganz viele Tränen geflossen bei den Menschen. Man spürte einfach, dass sie sich angesprochen fühlten und dass es ihnen gut tat, in dem Moment da zu sein, wahrgenommen zu werden und dass ihre Segensbitte gehört wurde und eine Entsprechung fand.

DOMRADIO.DE: Sie selber sind Pfarrer und haben sich vor ein paar Jahren als homosexuell geoutet. Gab es persönliche Erfahrungen, Erlebnisse, die Sie bestärkt haben, sich jetzt für die Segnung in dieser Form einzusetzen?

Mönkebüscher: Ganz viele. Durch das Outen vor mehr als zwei Jahren habe ich sehr, sehr viele Gespräche geführt, Anfragen bekommen, Mails und Briefe. Ich habe mit Personen gesprochen, die unter ihrer Situation, wie sie sind, wie sie sich veranlagt fühlen, mit ihrer sexuellen Orientierung, benachteiligt fühlen, ausgegrenzt oder auch Schwierigkeiten haben, sich so anzunehmen, wie sie sind.

Und diese ganzen Leidensgeschichten, die Menschen mit sich herumtragen - Bischof Overbeck hat es vor zwei Jahren ebenso benannt, Leidensgeschichten von homosexuellen Menschen - die gehen einem nah und zeigen, dass unsere Kirche eigentlich viel mehr eine ansprechende Kirche sein muss.

Im Moment ist es ja immer noch so, dass viel mehr über Menschen gesprochen wird und nicht mit ihnen. Ich bin davon überzeugt, wenn die Kirche in einen wirklichen Dialog treten würde mit den Menschen, die sich beispielsweise gestern Abend an vielen Orten in Deutschland haben segnen lassen, wären wir einen Schritt weiter und auch die kirchliche Leere könnte sich schneller ändern.

DOMRADIO.DE: Seit Sonntag haben schon über 100 #liebegewinnt-Gottesdienste stattgefunden. Eine Aktion dieser Art und Größenordnung hat es in der Kirche bisher noch nicht gegeben. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat gesagt, er sei zwar nicht grundlegend gegen solche Segnungen, aber er hat kritisiert, dass Segnungsgottesdienste nicht als Instrument für kirchenpolitische Manifestationen oder Protestaktionen geeignet seien, so das Zitat. Wie sehen Sie das?

Mönkebüscher: Das ist eine Formulierung, die Bischof Bätzing gewählt hat, die ist an keiner Stelle von der Initiative #liebegewinnt gefallen, sondern uns geht es darum, ein versöhnliches Zeichen zu setzen, eine ausgestreckte Hand an all die Menschen, die von Kirche noch etwas erwarten und erhoffen, die ihre Liebe, ihre Beziehung unter den Segen Gottes stellen möchten und damit ja eigentlich ausdrücken, dass sie das Kostbarste, was sie haben, den kostbarsten Menschen in ihrem Leben, Gott verdanken.

Es ist ein ganz starkes Glaubensbekenntnis in unserer Zeit, wo Kirche kein gutes Image hat, wo wir mit Vertuschung und Missbrauch kämpfen, den ganzen Verbrechen und aus den Negativschlagzeilen nicht herauskommen. Nicht weil die Medien uns böse wollen, sondern weil Kirche da versagt.

Da haben wir versucht, in einen neuen Dialog zu treten und mit den Menschen, auf dessen Rücken so gerne ein Konflikt ausgetragen wird, nämlich die Minderheit der gleichgeschlechtlich Liebenden, ihre Liebe zu feiern. Das römische Nein betrifft ja eigentlich alle Menschen, die Sexualität außerhalb der Ehe leben. Der Bischof sagt, es sei kein hilfreiches Zeichen.

Ich frage mich ernsthaft und ich frage die Bischöfe, was in den letzten Jahrzehnten von den Bischöfen und von der Bischofskonferenz an hilfreichen Zeichen diesen Menschen gegenüber entgegengebracht worden ist? Mir ist da keins erinnerlich.

DOMRADIO.DE: Gegenwind kommt auch von der katholischen Basis. Die Initiative Maria 1.0 ruft alle Bischöfe auf, die Feiern zu unterbinden. Haben Sie schon was von Ihrem Bischof gehört?

Mönkebüscher: Es gab am Freitag ein Interview mit Erzbischof Becker und ich finde es ist ein Interview, das Freiräume ermöglicht. Die Sorge, die ich von manchen Bischöfen nachvollziehen kann, ist, dass so eine Segensfeier in die Nähe des Trau-Ritus rückt. Das ist aber bei den Segensfeiern gar nicht vorgesehen. Es geht nicht um eine Konsenserfahrung oder um das Umbinden der Hände mit der Stola, wie es beim Trau-Ritus ist. Sondern es geht um einen Segen.

Bei diesen Segensfeiern, die wir zu #liebegewinnt ähnlich wie bei Valentins-Gottesdiensten hatten und bei Segensfeiern speziell für einzelne Paare, gibt es so viel Spielraum und Möglichkeiten, diese Feiern zu gestalten, dass sie den Paaren entsprechen, aber trotzdem nicht mit einer Trauung zu verwechseln sind. Diesen Freiraum sehe ich eigentlich eröffnet.

DOMRADIO.DE: Die Aktion #liebegewinnt ist eine Reaktion auf das Verbot des Vatikan, homosexuelle Partnerschaften zu segnen. Papst Franziskus ist auch Ihr Papst. Eigentlich gehört auch dieser Gehorsam zu Ihren Pflichten. Wie passt denn quasi dieser zivile Ungehorsam dazu?

Mönkebüscher: Da gibt es von Papst Franziskus ganz viele Äußerungen. Derselbe Papst sagt, dass es sein kann, dass irgendwann von der Glaubenskongregation bei uns etwas eingeht und dann erklärt, was zu erklären ist. Wir sollen weitermachen und uns dem Leben öffnen. Das haben wir mit dieser Initiative versucht und versuchen uns auch weiter dem Leben zu öffnen, den Menschen, zu denen wir gesandt sind. Ich habe auch einen Gehorsam den Menschen gegenüber, mit denen ich Gottesdienst feiere, die mir anvertraut sind, die in meinem Bereich wohnen oder mit denen es Verbindungen gibt über Social-Media oder andere Kanäle.

Diesen Menschen gegenüber bin ich auch zum Gehorsam verpflichtet. Sie erwarten auch etwas für ihren Glauben. Sie möchten genauso in der Kirche ankommen und beheimatet, aufgehoben sein. Die Segens-Gottesdienste sind ein Versuch, auch diesen Menschen eine Heimat zu geben, ihnen zu signalisieren: 'So wie du bist, bist du herzlich willkommen. An dir mäkelt niemand herum und deine sexuelle Orientierung ist dir in die Wiege gelegt, also vom Schöpfer selbst.'

DOMRADIO.DE: Jetzt setzt die Aktion #liebegewinnt ein Zeichen, mehr aber auch nicht. Gleiche Rechte für homosexuelle Paare in der katholischen Kirche sind nicht in Sicht. Wie geht es denn jetzt weiter mit #liebegewinnt?

Mönkebüscher: Das Thema ist im Synodalen Weg auch vertreten. Im Forum "Leben in gelingenden Beziehungen" wird über Segensfeiern diskutiert und auch über die Notwendigkeit, die Sexualmoral zu verändern. Bischof Dieser hat sich dazu geäußert, Bischof Overbeck und auch viele andere Bischöfe. Es geht um das Thema, wie Menschen mit ihren vielfältigen Lebens- und Liebesgeschichten in der Kirche beheimatet sein können.

Diese Diskussion geht weiter und #liebegewinnt ist erst einmal mit den Segens-Gottesdiensten zum Höhepunkt gekommen, hat aber ein Signal gesetzt. Es ist ganz schnell möglich, dass sich viele Seelsorgerinnen und Seelsorger verbinden und von der Basis her Kirche leben, wie viele Menschen sie sich wünschen.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR