Polnischer Historiker: Bischofswort zum Weltkrieg "tiefgreifend"

"Es kam relativ spät"

"Wichtig, wenn auch etwas spät" - so bewertet der polnische Historiker Krzysztof Ruchniewicz das Bekenntnis der katholischen deutschen Bischöfe zur Mitschuld ihrer Vorgänger im Zweiten Weltkrieg. 

KZ-Gedenkstätte Dachau / © Jörg Koch (KNA)
KZ-Gedenkstätte Dachau / © Jörg Koch ( KNA )

"Die Kritik an den eigenen Reihen verdient großen Respekt", sagte Ruchniewicz am Samstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). In der am Mittwoch veröffentlichten Erklärung zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren werde der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Adolf Bertram, nicht verschont, und auch andere Bischöfe würden "für ihre Schuld verantwortlich gemacht".

Ruchniewicz leitet das Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien der Universität Breslau. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Deutschlands und der deutsch-polnischen Beziehungen im 20. Jahrhundert.

Thema noch nicht ausreichend behandelt 

In ihrer Erklärung weisen die deutschen Bischöfe laut dem Historiker "in einer sehr tiefgreifenden Weise auf die damalige Haltung ihrer Vorgänger und deren Mitschuld am Krieg hin. Diese Themen seien bislang noch nicht ausreichend behandelt worden.

Die Bischöfe lenkten nun die Aufmerksamkeit auf die Erinnerung an den Krieg, die Haltung der deutschen Bischöfe zu Krieg und Verbrechen, die Gründe für ihre damalige Position, die Perspektiven für ein weiteres Leben im "Schatten des Krieges" und die Erinnerung daran. Das sei eine sehr gute Herangehensweise.

"Diese Botschaft kam jedoch relativ spät", so Ruchniewicz. Fast alle Zeugen, Täter und Opfer seien tot. Zu einer direkten Konfrontation könne es daher nicht mehr kommen. Der Historiker lobte, dass Polen und seinem Schicksal während des Zweiten Weltkriegs in dem Dokument viel Aufmerksamkeit geschenkt werde.

"Universeller Aufruf zum Kampf gegen Gesetzeslosigkeit"

Die Botschaft der Bischöfe könne als ein "universeller Aufruf zum Kampf gegen Gesetzlosigkeit, gegen alle Formen der Diskriminierung und Verletzung der Menschenrechte" sowie als Ermutigung gelesen werden, Dialog und Verständigung zu suchen. Zugleich werde auf aktuelle Gefahren aufmerksam gemacht. Obwohl seit dem Krieg 75 Jahre vergangen seien, gebe es immer noch einige Probleme - und zwar "für die alten Demokratien, vor allem aber für jene Länder, deren Systeme derzeit in eine autoritäre Richtung gelenkt werden". Er verwies auf die AfD in Deutschland und populistische Parteien in Ostmitteleuropa sowie den Missbrauch der Geschichte als Waffe für aktuelle Zwecke.

Die deutschen Bischöfe hatten sich zu Verfehlungen ihrer Vorgänger im Zweiten Weltkrieg bekannt. "Indem die Bischöfe dem Krieg kein eindeutiges 'Nein' entgegenstellten, sondern die meisten von ihnen den Willen zum Durchhalten stärkten, machten sie sich mitschuldig am Krieg", heißt es in dem Wort der deutschen Bischöfe zum Kriegsende vor 75 Jahren.

"Auch gegen die ungeheuerlichen Verbrechen an den als 'rassenfremd' diskriminierten und verfolgten Anderen, insbesondere den Juden, erhob sich in der Kirche in Deutschland kaum eine Stimme", so die Bischofskonferenz. Deren Vorsitzender, Limburgs Bischof Georg Bätzing, nannte das 23-seitige Papier ein "Schuldbekenntnis".

Von Oliver Hinz


Quelle:
KNA