Erzbistum richtet Seelsorgestelle für Missbrauchte ein

Bundesweites Novum

Kilian-Thomas Semel, Leiter des Pfarrverbands Haar, wird zum 1. Juni Seelsorger für Betroffene sexuellen Missbrauchs im Erzbistum München und Freising. Bundesweit wird die neu eingerichtete Stabsstelle die erste dieser Art sein.

Leere Stühle in einer Kirche / © No-Te Eksarunchai (shutterstock)
Leere Stühle in einer Kirche / © No-Te Eksarunchai ( shutterstock )

Damit folgt die Erzdiözese einem Wunsch des Betroffenenbeirats, dem der Geistliche angehört. Dieser wurde selbst als Ministrant von einem Priester missbraucht. Das wurde am Montagabend in München bei einer Veranstaltung des Erzbistums unter dem Motto "Betroffene hören" im Künstlerhaus bekannt.

Symbolbild Missbrauch / © somkhana (shutterstock)

Semel sagte, trotz allem, was er erlebt habe, sei er seiner Berufung gefolgt und Priester geworden, "über alle Krisen hindurch, über alle Zweifel und Brüche hinweg gegenüber der Institution Kirche". Er sei sich bewusst, dass er ein Teil dieser Kirche und damit auch dieser "Täterorganisation" sei, auch wenn er letzteren Begriff nicht möge. Ein großer Teil der Priester erfülle den Beruf mit viel Menschenfreude und Herzblut. Es dürften nicht alle über einen Kamm geschoren werden.

Mit anderen Menschen auf den Weg machen

Aus "eigener Kompetenz" wolle er sich künftig mit anderen Menschen auf den Weg machen, die von Missbrauch in der Kirche betroffen seien, erklärte Semel. Der Betroffenenbeirat habe zuletzt immer deutlicher erkannt, dass viele durch das Erlebte auch ihre religiöse Heimat verloren hätten und der Glaube mitunter in Trümmern liege. Es gebe zwar Angebote, wie man Menschen mittels Therapie weiterhelfen möchte.

 © ilolab (shutterstock)

Gefehlt habe aber eine konkrete Seelsorge; dass einer mitgehe mit dem Betroffenen und ihn in seinem Suchen und Zweifeln ernst nehme.

Mit Blick auf seine eigene Person sagte Semel, anfangs habe er gedacht, er sei der einzige Priester, dem "das" passiert sei. Doch weltweit gebe es eine große Zahl von Geistlichen, die als Kinder und Jugendliche Missbrauchserfahrung gemacht hätten und die nun einen täglichen "Spagat" zu bewältigen hätten. Sie seien einerseits Betroffener und zugleich Mitglied dieser Kirche. Träten sie an die Öffentlichkeit, müssten sie sich oft von Mitbrüdern als Nestbeschmutzer rechtfertigen.

Erzbistum München und Freising

Das Erzbistum München und Freising ist mit rund 1,61 Millionen Katholiken (Stand: Mai 2021) das größte unter den sieben bayerischen Bistümern und eine der bedeutendsten Diözesen in Deutschland. Sie erstreckt sich über eine Fläche von 12.000 Quadratkilometern vorwiegend auf Oberbayern und ging hervor aus dem Hochstift Freising, das der heilige Bonifatius 739 errichtete. Nach der Säkularisation 1821 wurde der Bischofssitz nach Münchenverlegt und die Erhebung zum Erzbistum verfügt.

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Quelle:
KNA