Erzbischof Schick über einen echten Dialog in der Kirche

"Keine Sache von Tagen"

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick plädierte vor dem 2. Ökumenischen Kirchentag für einen größere Offenheit der katholischen Kirche. Gerade angesichts der Missbrauchsfälle sah er dies als nötig an. Ein Vierteljahr später spricht Schick über die Anstrengungen der Kirche, verlorenes Vertrauen wieder zu gewinnen, die Bedeutung der Basis für diesen Prozess sowie über die Notwendigkeit des innerkirchlichen Dialogs.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, Sie sprachen im Mai davon, dass die katholische Kirche in Deutschland wieder Vertrauen gewinnen müsse. Wie bewerten Sie die Lage drei Monate später?
Schick: Vertrauen gewinnen ist keine Sache von Tagen, sondern von Monaten und Jahren. Das braucht Zeit. Jeder einzelne Katholik ist gefordert: Vertrauen kann nur durch vertrauenswürdige Menschen und durch einen offenen und ehrlichen Umgang miteinander aufgebaut werden. Trotz der oft zitierten Vertrauenskrise der katholischen Kirche sollte nicht übersehen werden, dass Umfragen zufolge die Gläubigen dem eigenen Pfarrer, Kaplan, den pastoralen Mitarbeitern und damit der eigenen Pfarrei sehr wohl vertrauen. Es bleibt aber die Frage und Aufgabe: Wie kann Kirche auch bei Fernstehenden, Enttäuschten und den Ausgetretenen wieder Vertrauen gewinnen? Das muss uns beschäftigen. Als Kirche sollen wir doch allen Menschen die Frohe Botschaft vom guten Gott und die Werte des Evangeliums bringen!

KNA: Was muss passieren, um dieses Vertrauen wiederzugewinnen?
Schick: Jeder Mensch muss als Gesprächspartner ernst genommen werden. Demut - Mut zum Dienen - und Bescheidenheit müssen alle, die Christus verkünden wollen, auszeichnen. Außerdem muss die Botschaft als gute Gabe Gottes, die dem Leben Mehr-Wert schenkt, angeboten werden. Und nur derjenige, der selbst vom Evangelium überzeugt ist und es lebt, wird Vertrauen gewinnen. Authentizität ist sehr wichtig.

KNA: Die bayerischen Bischöfe haben ziemlich schnell für ihre Bistümer die Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen verschärft. Die Deutsche Bischofskonferenz berät noch. Warum dauert das so lang?
Schick: Die Bayerischen Bischöfe haben sich im März in Vierzehnheiligen zum Umgang mit den Missbrauchsfällen geäußert. Ihre Stellungnahme wird in die Revision der Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz eingehen. Die Bischofskonferenz will auch die Ergebnisse des Runden Tisches einarbeiten und hört verschiedene Experten. In dieser wichtigen Sache ist gründliche Arbeit besser als schnelle. Mit den bisherigen Leitlinien können wir bei allem Verbesserungsbedarf auch jetzt ganz gut leben. Die revidierten Leitlinien werden aber bald erscheinen.

KNA: Sie sagten, die Kirche müsse offener werden, und haben damals viel Zustimmung bekommen. Doch viele glauben nicht, dass etwas passiert. Worauf können diese Menschen hoffen?
Schick: Wir befinden uns in einem Prozess. Viele Laien, Priester, pastorale Mitarbeiter und Bischöfe zeigen Offenheit. Die Offenheit, die ich angemahnt habe, ist die des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Würzburger Synode. Es ist eine doppelte: Auf der einen Seite für das Evangelium, die hilfreichen Gottesdienste und die Caritas der Kirche und auf der anderen Seite für die Freuden und Nöte der Menschen. Wenn die Offenheit für das Evangelium und für die Menschen zusammenkommen, dann haben wir die Kirche Jesu Christi, die den Menschen etwas zu geben hat und der man sich anvertrauen kann.

KNA: Was muss konkret passieren?
Schick: Wir brauchen einen echten Dialog, der die Wahrheit Gottes für das Wohl und Heil der Menschen sucht. Dabei müssen alle Christen aufeinander hören. Die Wahrheit Gottes macht frei und zufrieden, einsatzbereit für das Wohl der Menschen und für die Zukunft der Welt in Gerechtigkeit und Frieden, in Solidarität und Einheit. Der Kirche muss es um den Menschen gehen, um sein irdisches Wohl und ewiges Heil und nicht um sich selbst. Jesus Christus muss das Zentrum sein.

KNA: Gibt es einen solchen offenen Dialog über solche Themen auch in der Deutschen Bischofskonferenz?
Schick: Selbstverständlich machen wir uns in der Bischofskonferenz Gedanken, was heute von uns gefordert ist. Wir wollen doch gute Hirten für die Menschen sein und allen die Frohe Botschaft bringen.


Interview: Christian Wölfel