Erzbischof Müller über sein Verhältnis zu Papst Franziskus

"Mitbrüderlich, väterlich, herzlich"

Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, wird in 10 Tagen von Papst Franziskus zum Kardinal erhoben. Im Interview weist er Behauptungen zurück, er sei "konservativer Gegenspieler" des Papstes.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Papst Franziskus und Erzbischof Müller (dpa)
Papst Franziskus und Erzbischof Müller / ( dpa )

KNA: Herr Erzbischof, beim nächsten Konsistorium werden Sie ins Kardinalskollegium aufgenommen. Was bedeutet das für Sie?

Müller: Das Amt des Präfekten der Glaubenskongregation, das mir von Papst Benedikt XVI. übertragen und von Papst Franziskus bestätigt wurde, ist traditionell mit dem Kardinalsrang verbunden. Die Kardinäle sind von ihrem Ursprung her die leitenden Kleriker der römischen Kirche, die den Papst in seinem Dienst unmittelbar unterstützen. Ich freue mich natürlich über die Ernennung, aber ich bin mir bewusst, dass es sich um ein Dienstamt der Gesamtkirche handelt.

KNA: Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zum Papst?

Müller: Eine solche Frage kann man persönlich nur schwer beantworten. Die Begegnungen sind unkompliziert. Wir können uns bei den regelmäßigen Audienzen - zwei- bis dreimal im Monat - in Spanisch und Italienisch unterhalten. Ich verstehe einiges von seinem lateinamerikanischen Hintergrund. Der Papst hat wiederholt sein Vertrauen in die Arbeit der Kongregation bekundet. Das Verhältnis des Papstes zu mir ist mitbrüderlich, väterlich, ja herzlich. Das wichtigste ist freilich, dass unsere Kongregation dem Papst in seinem Petrusdienst zur Seite steht und ihm in seinem Lehramt zuarbeitet.

KNA: In einigen Medien werden Sie gern als "konservativer Gegenspieler" von Papst Franziskus bezeichnet. Andere schreiben, es gebe zwischen Ihnen und dem Papst eine Rollenverteilung nach dem Muster "der charismatische Papst und sein dogmatischer Glaubenswächter", ähnlich dem Gespann Wojtyla/Ratzinger. Was stimmt?

Müller: Ich glaube, beides stimmt nicht. Papst Franziskus hat das große Charisma, die Menschen direkt anzusprechen, die Herzen zu öffnen, Blockaden zu überwinden. Was seine Lehre betrifft: Sie umfasst und enthält den gesamten katholischen Glauben. Man kann seinen Mut bewundern, mit dem er die Verweltlichung der Kirche anprangert, wie er von der diabolischen Macht spricht, die den Menschen von Gott wegführen will, mit welcher Intensität er das Bußsakrament betont. Es ist richtig, dass der Papst und ich eine unterschiedliche kirchliche Vorgeschichte und Prägung durchlaufen haben; er im Jesuitenorden, ich viele Jahre in der theologischen Lehre. Das sind unterschiedliche Zugangsweisen, aber sie sind komplementär und nicht gegensätzlich.

KNA: Wie ist Ihr Standing innerhalb der Kurie?

Müller: Ich sehe mich nicht als typischer Kurialer. Ich bin von außen hereingekommen, habe nicht den Kurienapparat durchlaufen. Aber ich fühle mich hier wohl, es gibt eine gute und brüderliche Zusammenarbeit mit den Leitern der anderen Dikasterien, eine gute Gemeinschaft in unserer Kongregation. Wir verstehen uns hier weniger als Behörde im weltlichen Sinn, sondern als familiäre Gemeinschaft, die gemeinsam der Kirche dienen will. Daher wehre ich mich auch gegen eine pauschale Kritik, an der Kurie seien Leute tätig, denen es um Macht, Karriere oder Geld ginge. Wer mit solchen Erwartungen hierherkäme, der wäre von vorneherein für den arbeitsreichen und entsagungsvollen Dienst nicht geeignet.

KNA: Bei der jüngsten Vollversammlung hat der Papst Ihrer Behörde ausdrücklich die Kollegialität ans Herz gelegt. Besteht da Handlungsbedarf?

Müller: Wenn man die Rede genau liest, hat der Papst die kollegiale Arbeitsweise unserer Kongregation gewürdigt. Entgegen manchen Auffassungen arbeiten wir nicht autoritär und dekretierend. Ein Vorgang durchläuft nacheinander verschiedene Instanzen. Die wichtigen Entscheidungen sind der Kardinalsversammlung vorbehalten, die einmal pro Monat stattfindet. Der Präfekt ist dort nur ein Primus inter pares - auch wenn er dann dem Papst in einer Audienz diese Gesamtarbeit zur Approbation vorlegt.

KNA: Zum Thema Piusbrüder: Geht die Aussöhnungsinitiative weiter, steht eine baldige Klärung an, oder lässt man sie verebben?

Müller: Die Glaubenskongregation hat eine klare dogmatische Präambel verfasst und vorgelegt. Diese ist gleichsam die Tür, durch welche die Piusbruderschaft und die ihr zugehörenden Personen in die volle Gemeinschaft der Kirche eintreten können. Diese Tür steht offen; wir schließen sie nicht. Aber es gibt auch kein Hintertürchen. Wir begleiten die Einigungsbemühungen mit Geduld und Festigkeit, wie uns Papst Franziskus aufgetragen hat.

KNA: Die stärkere Beteiligung von Laien und insbesondere von Frauen auch in der Leitung der Kirche scheint ein Anliegen des Papstes zu sein. Gibt es da theologische Grenzen, und wo liegen die genau?

Müller: Es ist nicht so, dass bislang der Klerus der aktive Teil war und die Laien der passive Teil. Alle Gläubigen sind durch Taufe und Firmung und das allgemeine Priestertum voll und ganz Glieder der Kirche. Daher geht es auch nicht darum, den Laien und damit auch den Frauen großmütig irgendetwas zuzugestehen. In der Leitung der Kirche gibt es Aufgaben, die ausschließlich dem apostolischen Amt zukommen.

Jurisdiktionelle Aufgaben sind an das Weiheamt gebunden. Aber es gibt viele Institutionen, etwa im Bereich der theologischen Forschung, des Unterrichts und der Beratung oder auf dem Gebiet der Caritas, in der Laien und auch Frauen in verantwortlicher Position tätig sein können. Aber nicht im Sinne eines Quotenschlüssels, denn es geht nicht darum, um jeden Preis Laien und Frauen aufzunehmen. Frauen werden also in der Kurie nicht Kongregationen leiten können.

Aber in päpstlichen Räten könnte man sich das durchaus vorstellen, etwa im Rat für die Familie oder im Rat für die Krankenseelsorge oder auch in wissenschaftlichen Einrichtungen, wie etwa in der Akademie für das Leben. Auch im Wirtschafts- oder Finanzbereich sind für Laien und auch für Frauen Leitungsaufgaben durchaus möglich.