Erzbischof Marx warnt vor "weiter so" in der Krise

"Das verplätschert ein wenig"

Der Münchener Erzbischof Reinhard Marx hat vor einem "weiter so" von Wirtschaft und Politik angesichts der Finanzkrise gewarnt. Er sei "wieder skeptisch geworden", ob es wirklich zu einer Lernphase und einer Grundsatzdebatte komme, sagte er am Dienstagabend in Berlin. "Das verplätschert ein wenig."

 (DR)

Offensichtlich wolle man wieder da anknüpfen, wo man vor der Krise gewesen sei. Marx äußerte sich bei der Jahrestagung der Deutschen Nationalstiftung.

Zum schwarz-gelben Koalitionsvertrag sagte der Erzbischof, ihm fehle darin «eine vernünftige Vision». Es gehe nicht um Utopien, sondern um eine Vorstellung, die die Menschen auch zusammenführen könne. Ziel müsse eine Gesellschaft der Teilhabe sein, nicht eine Gesellschaft, die viele aussschließe.

Krise im System
Marx bezeichnete es als falsche Entwicklung, wenn Kapitalismus und Kapital der entscheidende Dreh- und Angelpunkt des Systems seien. Er warb für eine Rückbesinnung auf eine nachhaltige Soziale Marktwirtschaft. «Markt und Gewinn sind gerechtfertigt, aber sie sind nicht unser Leben.» In der Krise müsse es darum gehen, Staat und Markt, Gesellschaft und Person wieder neu in ein Verhältnis zueinander zu bringen. Dabei müsse auch das Verhältnis der Menschen untereinander ein anderes werden.

In der gegenwärtigen Lage sehe er eine «Krise im System», so Marx. Sie sei so gravierend, dass auch das System als ganzes von vielen in Frage gestellt werde. Weiter rief Marx die Bundesbürger auf, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Institutionen funktionierten nicht selbstverständlich aus sich heraus. «Wenn nur jeder das tut, wozu er verpflichtet ist, kann man den Laden gleich zu machen», meinte er. Auch in der Wirtschaft seien Ethik und Tugenden nach wie vor notwendig.

Vorboten ignoriert
Für die Wirtschafts- und Finanzkrise habe es längst Vorboten gegeben, die man aber ignoriert habe, betonte Marx. So habe Papst Johannes Paul II. schon im Jahr 1991 in seiner Sozialenzyklika «Centesimus Annus» vor der Dominanz eines reinen Materialismus gewarnt. «Diese Gefahr ist eingetreten», so der Erzbischof. Der Kapitalismus habe sich, «salopp gesagt, überschlagen» und stecke jetzt in der Krise. Nun habe man in einer globalisierten Welt noch einmal die Chance, daraus zu lernen. Ob es eine weitere Chance geben werde, bezweifele er. Marx ist Senatsmitglied der 1993 gegründeten Nationalstiftung.

Der frühere niederländische Ministerpräsident Wim Kok sprach in der anschließenden Diskussion von einer großen Vertrauenskrise in zahlreichen Ländern Europas. Damit gehe eine Krise der Institutionen einher. Die Bewältigung dieser Krise und die Rückbesinnung auf Werte werde zur Herausforderung.

Auch der frühere Vorsitzende der IG Bergbau und Energie, Hubertus Schmoldt, sagte, es gebe eine Vertrauenskrise. Sie sei schon vor der aktuellen Finanzkrise entstanden und habe «mit dem Verfall von Werten» zu tun. Vermutlich seien die «Funktionseliten» ihrer Verantwortung für die Gesellschaft nicht gerecht geworden.

Der Präsident des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt J. Lauk, bemängelte das Engagement der Kirchen für einen religionsübergreifenden Wertekonsens. Sie bekämen es nicht hin, in einer globalisierten Welt die Gemeinsamkeit der Werte so zu formulieren, «dass sich alle eingeschlossen fühlen können».