Erzbischof Marx schaut auf «die schlimmsten Monate» seines Lebens zurück

Um den Schlaf gebracht

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat das erste Halbjahr 2010 als «die schlimmsten Monate» seines Lebens bezeichnet. Die Debatte um Missbrauch in der katholischen Kirche habe ihn sehr belastet und ihm auch manchmal den Schlaf geraubt, bekannte Marx in einem Interview mit dem «Münchner Merkur».

 (DR)

Er rechne damit, dass die Zahl der Kirchenaustritte in diesem Jahr noch einmal über den hohen Wert von 2009 steigen werde, auch wenn die Bewegung inzwischen wieder rückläufig sei. Zu den Auswirkungen des Skandals auf seine Amtsführung erklärte Marx: "Es ist nicht so, dass ich jetzt überängstlich bin - aber sehr genau." Schon seit den ersten Richtlinien 2002 sei die Sensibilität der Bischofskonferenz für das Problem ziemlich hoch gewesen. Heute gelte ganz klar, dass Täter niemals mehr mit Kindern und Jugendlichen arbeiten dürften. Für ihren Wiedereinsatz sei ein forensisches Gutachten erforderlich. Er selbst habe "in der Regel schärfer entschieden als das Gutachten es empfahl".



Besorgt äußerte sich der Erzbischof über die derzeitige Stimmung in der Kirche, gerade unter den hauptamtlichen Mitarbeitern. "Es braucht jetzt einen neuen Schub der Motivation, ohne dass wir zu schnell zur Tagesordnung übergehen." Die Kirche dürfe sich durch diese belastende Wahrheit nicht von ihrer Aufgabe abbringen lassen, den Menschen das Evangelium zu bringen.



Es sei richtig gewesen, dass die Missbrauchs-Diskussion der vergangenen Monate die Debatte über den Zustand der Kirche insgesamt forciert habe, räumte Marx ein. "Aber ich halte es für abwegig, immer gleich als erstes zu fordern: Jetzt muss das Priestertum der Frau kommen und der Zölibat abgeschafft werden." Dies sei oberflächlich und führe nicht weiter. Marx sagte, die Frage sei, wie die Ehelosigkeit der Priester als wertvoller geistlicher Schatz in der Kirche wiederentdeckt werden könne - "und nicht, wie man diesen vermeintlichen Ballast der Geschichte endlich loswird". Schließlich handle es sich um den Lebensstil Jesu.