Erzbischof Marx ruft zum Kampf gegen "überdrehten Kapitalismus" auf

Plädoyer für Soziale Marktwirtschaft

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat die Politik zum entschlosseneren Kampf gegen einen «überdrehten Kapitalismus» aufgefordert. Der Mensch dürfe nicht unter die Räder kommen. Nach wie vor gelte: «Die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft sind nicht überholt.»

Erzbischof Reinhard Marx: Kapitalismus Grenzen setzen (KNA)
Erzbischof Reinhard Marx: Kapitalismus Grenzen setzen / ( KNA )

Ohne eine Ausrichtung an diesem Gesellschaftsmodell würde sich die Politik an die anonymen Kapitalmärkte ausliefern. Ebenso wie der Erzbischof warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel, die globale Finanzkrise sei noch nicht überwunden, sagte Marx am Montagabend in Berlin.



Bei einer Festveranstaltung der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) zu Ehren des im Juli 75 Jahre alt gewordenen Norbert Blüm würdigten Marx und Merkel als CDU-Vorsitzende die Verdienste des langjährigen Bundesarbeitsministers um soziale Gerechtigkeit. Der CDA-Bundesvorsitzende Karl-Josef Laumann nannte Blüm den besten

Arbeits- und Sozialminister, den die Bundesrepublik in 61 Jahren gehabt habe.



Blüm mahnte bei der Feier zu einer gerechteren Weltordnung. Kapitalismus und Sozialismus hätten ihre Versprechen nicht eingehalten und seien gescheitert. Die Welt suche nach einer Lösung jenseits dieser Ideologien. "Das ist die Stunde der Christlichen Soziallehre", meinte er. Diese sei "kein Heiapopeia, kein Zuckerguss, kein Weihrauch", sondern ein struktureller Beitrag zu einem gerechteren Wirtschaften, das den Menschen ernst nehme.



Merkel würdigte Blüm als "leidenschaftlichen Streiter für die Arbeitnehmer-Interessen". In einer so launig-humorvollen wie ernsten Ansprache erinnerte sie Begebenheiten aus dem Kabinett von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), dem sie mit Blüm bis 1998 angehörte, und plädierte für ein gemeinsames Nachdenken über den modernen Wachstumsbegriff. Zugleich äußerte sie sich zur weiteren Herausforderung der Wirtschaftskrise. Sie werde "nicht müde werden, die Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft auch bei der Schaffung einer globalen Ordnung mit zu verankern".



Marx fordert Grundsatzdebatten

Marx appellierte an die Christsozialen in der CDU, immer wieder aufzustehen und sich in Grundsatzdebatten zu Wort zu melden. "Die Katholische Soziallehre, die christlich-soziale Bewegung darf nicht komatös werden", mahnte er. Alle anderen Redner gratulierten dem 57-Jährigen zu seiner Ernennung zum Kardinal.



Weiter unterstrich der Erzbischof, die biblische Tradition habe grundlegende Bedeutung für das deutsche Gesellschaftssystem. Sie sei die Grundlage der westlichen Kultur. Das müssten selbst jene anerkennen, die diese Tradition nicht kennten. Das christliche Menschenbild sei nicht einfach austauschbar. Damit wolle er keine andere Religion abwerten. Marx sagte, beim deutschen Wirtschaftssystem des sozialen Ausgleichs gehe es aber letztlich auch um die Sozialkritik der Propheten und das Bild Gottes, der sich mit Jesus auf die Seite jener stelle, "die getreten sind".



An der Feier nahmen neben Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) und vielen Unionsabgeordneten eine Reihe führender Gewerkschaftsvertreter teil. So waren DGB-Chef Michael Sommer und seine Stellvertreterin Ingrid Sehrbrock, Berthold Huber als Vorsitzender der IG-Metall, der Blüm seit 60 Jahren angehört, und der Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, in die CDU-Parteizentrale gekommen.



Blüm wurde am 21. Juli 75 Jahre alt. Mit seinem Namen sind eine Gesundheitsreform sowie zwei große Rentenreformen verknüpft. Zu seinen Leistungen gehört zudem die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung im Jahr 1995. Über Jahrzehnte war er der prominenteste Vertreter des sogenannten Arbeitnehmerflügels in der CDU. Er ist der einzige Minister, der von 1982 bis 1998 die gesamte Kanzlerschaft Kohls amtierte.