Erzbischof Koch geht auf Distanz zu Greta Thunberg

"Es geht um unser Zusammenleben"

Nach Äußerungen von Greta Thunberg zum Gaza-Krieg kritisiert Erzbischof Heiner Koch die Klima-Aktivistin. Zugleich kritisierte er den geringen Widerspruch bei judenfeindlichen Äußerungen. Er hoffe auf weniger Gleichgültigkeit.

Klimaaktivistin Greta Thunberg stand auch schon vor Gericht / © Yui Mok (dpa)
Klimaaktivistin Greta Thunberg stand auch schon vor Gericht / © Yui Mok ( dpa )

Der Berliner katholische Erzbischof Heiner Koch kritisiert Klima-Aktivistin Greta Thunberg für deren jüngste Äußerungen zum Gaza-Krieg. Ihre Aussagen - etwa über einen palästinensischen Kampf gegen Unterdrückung und für Gerechtigkeit - teile er "in keinster Weise", sagte Koch im Interview mit dem "Handelsblatt" (Sonntag online).

Erzbischof Heiner Koch zelebrierte das Pontifikalamt zur Eröffnung der Diaspora-Aktion 2023 in der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale / © Nicolas Ottersbach (DR)
Erzbischof Heiner Koch zelebrierte das Pontifikalamt zur Eröffnung der Diaspora-Aktion 2023 in der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Drängende Anliegen der jungen Menschen

Auf die Frage, ob er Thunberg nochmals mit der Vorbild-Wirkung von Jesus Christus vergleichen würde wie im Jahr 2019, antwortete der Bischof, er habe damals lediglich "das Prophetische an 'Fridays for Future' herausgestellt. Weil ich gesehen habe, wie Menschen weltweit auf die von Greta Thunberg ausgelöste Klimabewegung reagiert haben. Sie hat uns wachgerüttelt."

Das drängende Anliegen der jungen Menschen, die Welt vor der Klimaerwärmung zu schützen, teile er weiter, und "die Sorge um die Bewahrung der Schöpfung treibt auch mich um".

"Keine Prophetin"

Koch hatte schon 2019 von "massiven Verurteilungen und Beschimpfungen" berichtet nach seinem Lob für die "Fridays for Future"-Demonstrationen. Er hatte erklärt, die Schülerproteste erinnerten ihn "ein wenig an die biblische Szene vom Einzug Jesu in Jerusalem".

Die Klimaaktivistin Greta Thunberg während einer Demo in London / © PA Wire/Lucy North (dpa)
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg während einer Demo in London / © PA Wire/Lucy North ( dpa )

Vorwürfe, dass er Greta Thunberg mit der Bezeichnung "Prophetin" zu einer "Heilsfigur" erhoben habe, wies der Erzbischof aber schon damals zurück. "Propheten sind keine Heilsfiguren", sagte er. Die biblischen Propheten seien "unbequeme Mahner, die aus einer tiefen Glaubensüberzeugung mit ihrem Leben für ihre Konsequenz und ihre Widerständigkeit bezahlt haben". Thunberg sei "keine Prophetin in diesem Sinn, aber sie steht für eine Botschaft, die ich für prophetisch halte, sie lautet: 'Wenn wir so weiterleben wie bisher, wird es mit der Bewahrung der Schöpfung schwierig werden.'"

Im rbb-Radio hatte Koch damals auch erklärt, er wolle Thunberg nicht "zu einem weiblichen Messias zu machen, indem ich sie mit Jesus von Nazareth vergleiche". Gesellschaft und Kirchen bräuchten aber auch heute echte Propheten, "die auf Missstände und Fehlentwicklungen hinweisen und die Lösungswege vorschlagen - auch wenn diese nicht auf ungeteilte Zustimmung aller stoßen, oder wenn die beschrittenen Wege, etwa das Schuleschwänzen, höchst zwiespältig zu bewerten sind".

Lehren aus unserer Geschichte

Unterdessen schockiere ihn das aktuelle Ausmaß von Judenfeindlichkeit: "Dass Davidsterne an Haustüren geschmiert und in Berlin Molotow-Cocktails auf eine Synagoge geworfen werden, damit habe ich nicht gerechnet. Ich habe immer gedacht, wir hätten die Lehren aus unserer Geschichte gezogen."

Erschütternd nannte Koch auch, dass es aus seiner Sicht viel zu wenig Widerspruch gebe, wenn Demonstranten zum Beispiel "Tod Israel" oder "Tod den Juden" skandierten: "Auch das Schweigen ist ein Hinweis, wie es um die emotionale Verbundenheit mit Israel in Teilen der Gesellschaft steht. Nichts sagen ist auch eine Meinung."

Teilnehmer der Kundgebung "Fridays for Israel" / © Britta Pedersen (dpa)
Teilnehmer der Kundgebung "Fridays for Israel" / © Britta Pedersen ( dpa )

Der Bischof nannte es "weitgehend überzeugend, wie die Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz uneingeschränkt an der Seite Israels steht". Aber die Gesellschaft und auch die Kirchen dürften ihre Verantwortung nicht an die Regierung abgeben: "Wer beim Schicksal der ermordeten Jüdinnen und Juden keine Empathie verspürt und den Extremisten die Straße überlässt, der soll sich einfach die fürchterlichen Bilder des eiskalt kalkulierten Massenmords der Hamas-Terroristen an unschuldigen Zivilisten ansehen."

An der Seite der jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn

Als Bischof habe er unter anderem zum 9. November zu einem "Gedenkweg" eingeladen, Synagogen besucht und zu Chanukka gratuliert, berichtete der Hauptstadtbischof weiter: "Unser Platz als Kirche ist an der Seite unserer jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn. Aber selbst bei der 'Nie wieder ist jetzt'-Demonstration vor dem Brandenburger Tor war zahlenmäßig noch deutlich Luft nach oben."

Mit Blick auf Christen, die in der NS-Zeit ihr Leben riskierten, wenn sie Jüdinnen und Juden vor der Deportation versteckten, riskiere man heute allenfalls, "dass mir kalt wird, wenn ich mich bei einer Demonstration gegen Antisemitismus engagiere", fügte Koch hinzu: "Da ist entweder Gleichgültigkeit oder Faulheit im Spiel. Es geht um unser Zusammenleben hier in Deutschland."

Quelle:
KNA