Erzbischof Gerhard Ludwig Müller wird 65

Theologe von Weltrang

Mit 65 Jahren beginnt für die meisten der Ruhestand. Im Vatikan aber zählt Erzbischof Müller zu den Jüngeren. Seit einem halben Jahr ist er als Präfekt der Glaubenskongregation eine der wichtigsten Persönlichkeiten an der römischen Kurie.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Schon vor seinem Wechsel von Bayern nach Rom im Juli war Müller als langjähriges Mitglied der Glaubenskongregation mit deren Arbeitsweise vertraut; er kannte ihre Rolle innerhalb der vatikanischen Strukturen. Und auch wenn er beim Konsistorium Ende November noch nicht das Kardinalsbirett erhielt, hat sich der aus Mainz stammende Kirchenmann in Rom rasch Ansehen und Respekt verschafft. Dank seiner Fachkompetenz als Theologe von internationalem Renommee zählt er zu den profiliertesten Kirchenmännern beim Heiligen Stuhl.

Zwar wolle er sich zunächst in Ruhe in den neuen Arbeitsbereich und die neuen Strukturen einarbeiten, ließ Müller bei seiner Ankunft im Sommer in Rom wissen. Doch er machte sehr bald auch klare Ansagen, etwa zum Einigungsprozess mit der traditionalistischen Piusbruderschaft. «Jeder, der sich katholisch nennt, sollte sich auch an die Prinzipien des katholischen Glaubens halten», so Müller.

Dazu gehöre das Ganze des christlichen Glaubens, des Lehramts und der kirchlichen Tradition, die nicht irgendwann um 1950 abbreche.

Keine Kompromisse

Abstriche oder Kompromisse könne es in Glaubensfragen nicht geben; Glaubensinhalte seien nicht verhandelbar, lautet sein Credo.

Freilich räumte der neue Präfekt der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. entgegen früheren Fristsetzungen nun doch mehr Zeit ein, um sich über das vorgelegte Einigungsdokument, die «Lehrmäßige Präambel», zu verständigen.

Deutliche Worte fand Müller auch zur Befreiungstheologie - zu der ihm Kritiker zuvor eine allzu große Nähe unterstellt hatten. Man müsse zwischen einer «falschen» und einer «richtigen» Theologie der Befreiung unterscheiden, sagte er in seinem ersten großen Interview der Vatikanzeitung «Osservatore Romano». Eine «Vermischung von marxistischen Selbsterlösungslehren und dem von Gott geschenkten Heil» sei zwar «grundsätzlich abzulehnen». Man müsse sich aber auch fragen, wie man angesichts des Leidens vieler Menschen, die nichts zu essen und zu trinken hätten und deren Rechte von den Mächtigen missachtet würden, von Gottes Liebe und Barmherzigkeit sprechen könne, betonte der neue Präfekt.

Gut angekommen in Rom

Wie sein Vorvorgänger Joseph Ratzinger hat sich auch der Theologe Müller zum römischen Amtsantritt die Möglichkeit ausbedungen, weiter wissenschaftlich arbeiten zu können. Ob allerdings die Zeit für eigene große Werke reicht, wird sich zeigen. Durch Vorträge, Fachartikel und auch als Herausgeber der Werke Ratzingers, die er regelmäßig und publikumswirksam präsentiert, beteiligt er sich schon jetzt weiter am theologischen Diskurs.

Nach Aussagen von Mitarbeitern und Bekannten ist Müller in Rom offensichtlich gut angekommen. Er blühe regelrecht auf, meinen Beobachter. In seiner Behörde im Schatten des Petersdoms gilt er als umgänglich; an der Kurie und auch in der deutschsprachigen Gemeinde Roms ist er präsent. Fast jeden Mittwoch zelebriert er die Frühmesse im deutschen Priesterkolleg Campo Santo, das direkt neben seinem Amtssitz, dem «Heiligen Uffiz», liegt. Jede Woche trifft er mit dem Papst zur Fachaudienz zusammen.

Und Benedikt XVI. hat ihm - rechtzeitig zum 65. Geburtstag - auch noch eine persönliche Freude gemacht: In den Tagen vor Weihnachten fuhren die Möbelwagen aus Regensburg vor, und Müller konnte endlich seine frisch restaurierte Dienstwohnung an der Piazza della Citta Leonina beziehen, direkt am vatikanischen Sankt-Anna-Tor. Sein Vormieter dort war - Joseph Ratzinger.


Quelle:
KNA