KNA: In der Bundespolitik haben Umwelt- und Klimaschutz aktuell nicht mehr die höchste Priorität. Das Erzbistum Freiburg investiert weiterhin viel. Wie sieht die Zwischenbilanz auf dem Weg zur klimaneutralen Diözese aus?
Erzbischof Stephan Burger (Erzbischof von Freiburg): Die politische Großwetterlage können wir leider nicht ändern. Aber umso entschiedener werden wir an unserer Verantwortung für die uns anvertraute Schöpfung festhalten. Das ist Teil unseres kirchlichen und christlichen Selbstverständnisses. Daher werden wir auch in Zeiten knapper Kassen weiter in Klimaschutz investieren. Beispielsweise ist unsere große Initiative für Photovoltaik auf kirchlichen Gebäuden soweit erfolgreich angelaufen.
KNA: Der Krieg ist näher an Deutschland herangerückt. Die Politik plant die militärische Aufrüstung und Abschreckung. Ein richtiger Schritt?
Burger: Ich habe in diesem Jahr bei einem Ukrainebesuch erlebt, was es heißt, im Krieg zu leben. Nächte wegen Drohnenangriffen im Luftschutzbunker zu verbringen, zerstörte Gebäude zu sehen, die großen Soldatenfriedhöfe. Diesem Kriegstreiben teilnahmslos zuzusehen, ist keine Option. Daher müssen wir die Ukraine weiter unterstützen.
Und ich halte es auch für wichtig, hier in Deutschland verteidigungsbereit zu sein - für den hoffentlich nicht eintretenden Konfliktfall. Dabei aber nur an das Militärische zu denken, greift zu kurz. Wichtig ist, sich nicht nur von Ängsten treiben zu lassen, sondern als Gesamtgesellschaft für Frieden zu arbeiten. Wir sind als ganze Gesellschaft gefordert.
Es braucht auch die vielen, die zu Hause oder in Freiwilligendiensten für andere einstehen, die Kranke und Alte versorgen, die sich für Kinder und Jugendliche einsetzen, die sozial-karitative Dienste aufrechterhalten, damit die Gesellschaft überhaupt weiter funktionieren kann.
KNA: Aber zahlt nun die junge Generation die Rechnung der alten - und ihrer Versäumnisse?
Burger: Es ist nicht so einfach schwarz-weiß, und ich warne davor, die Generationen gegeneinander auszuspielen. Die Generationen tragen wechselweise Verantwortung füreinander.
KNA: Thema Missbrauch und sexualisierte Gewalt durch Priester, Seelsorger und Kirchenmitarbeiter. Wie ist hier der Stand bei Aufarbeitung und Vorsorge?
Burger: Wir tun alles dafür, damit Kirche ein sicherer Ort ist. Wir können uns dabei nicht zurücklehnen, denn das ist eine bleibende Aufgabe für die Zukunft. Auch wenn wir unsere Schutzkonzepte immer weiter verbessern, wird es leider überall, wo Menschen zusammen sind, nie absolute Sicherheit geben können.
KNA: Sie tragen als Vize-Missbrauchsbeauftragter der Bischofskonferenz auch bundesweite Verantwortung. Welche neuen Initiativen gibt es?
Burger: Insbesondere die Arbeit des Sachverständigenrats, den die Bischofskonferenz berufen hat. Das neue, unabhängige Expertengremium analysiert, was wir bei Intervention und Prävention und im Kontakt mit den Betroffenen noch verbessern können. Die Expertengruppe hat jetzt ihre erste große Befragung aller Diözesen durchgeführt. Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr dazu einen Bericht und Empfehlungen erhalten werden.
KNA: Die katholische Basis fordert seit langem mehr Mitspracherechte. Jetzt haben sich Bischöfe und kirchlich Engagierte auf eine neue, bundesweite Synodalkonferenz geeinigt. Ein guter Schritt?
Burger: Wir sind, auch nach intensiven Gesprächen einiger Bischöfe mit Rom, auf einem guten Weg. Wichtig ist mir die kirchenrechtliche Verankerung dieses neuen Gremiums. Rechtlich wird die Synodalkonferenz als ein Beratungsgremium, also als ein Organ der Bischofskonferenz, einzuordnen sein. Wir werden gemeinsam beraten und auch Beschlüsse fassen.
Fakt ist aber auch, dass dieses Gremium uns Bischöfe rechtlich nicht aus der Verantwortung entlassen kann, die wir als Bischöfe in den Diözesen tragen - auch wenn ich selbst den Rat der Versammlung sehr ernst nehmen werde.
KNA: Bei der Frage, ob Frauen künftig zu Diakoninnen geweiht werden dürfen, wie es viele in Deutschland seit langem fordern, hat der Vatikan vor wenigen Tagen wieder gebremst?
Burger: Ich bin weiter gespannt, wie sich das Lehramt und damit der Papst zu dieser Frage positionieren wird.
KNA: Vor genau einem Jahr begann die Unruhe um den dann nach internen Konflikten entlassenen Domkapellmeister Boris Böhmann. Hat sich die Lage beruhigt?
Burger: Ich denke ja. Es wurden viele Gespräche geführt. Seit vielen Monaten gibt es Interimsleitungen für die verschiedenen Chöre. Wir haben die Domkapellmeister-Stelle neu ausgeschrieben und ich hoffe, dass wir sie im Laufe des Frühjahrs dann auch besetzen können.
KNA: Die katholische Kirche im Südwesten steht vor großen Veränderungen. Zum Jahreswechsel starten die neuen Pfarreien - aus ehemals über 1.000 werden nur noch 36. Wie ist die Stimmung bei den Katholiken und Katholikinnen, die diese neuen Strukturen mit Leben füllen wollen?
Burger: Den Grundtenor nehme ich positiv wahr. Denn viele, die sich neu in die Gremien haben wählen lassen, wollen jetzt nach langer Vorbereitung und Planung endlich loslegen. Sie möchten und können etwas bewegen und voranbringen. Es ist gut, dass wir jetzt in die rechtliche Umsetzung kommen.
Klar ist mir aber auch, dass nicht von Anfang an alles reibungslos laufen wird. Mancherorts erlebe ich auch eine gewisse Unsicherheit. Und das ist völlig nachvollziehbar. Denn schließlich geht es um die grundlegendste Veränderung in unserer Erzdiözese seit 200 Jahren. Dankbar bin ich für das sehr große ehrenamtliche und berufliche Engagement, das diesen Weg ermöglicht hat.
KNA: Ziel der Reform ist auch eine zukunftssichere Finanzierung. Wie viele kirchliche Gebäude sollen verkauft werden? In der evangelischen Landeskirche in Baden könnte es mehr als jede zweite kirchliche Immobilie sein...
Burger: Wir wollen und werden das nicht von oben herab per Quote anordnen, sondern die Gemeinden vor Ort müssen überlegen, was sie für Seelsorge und Verwaltung benötigen und was nicht - und wie sie das finanzieren können.
KNA: Gilt das auch für Kirchen und Kapellen?
Burger: Wo immer es geht, wollen wir unsere Sakralräume erhalten. Kirchen und Kapellen sind geweihte Orte, die aus dem Alltag herausgehoben sind. Orte, die zur Begegnung mit Gott einladen. Hinzu kommt die emotionale Bedeutung: In den Kirchen haben die Gläubigen die Sakramente der Taufe und Firmung empfangen, hier werden Hochzeiten gefeiert, finden unsere Gottesdienste statt und hier wird der Verstorbenen gedacht. Diese Orte des gelebten Glaubens, der Tradition und der Erinnerung geben wir nicht leichtfertig auf.
Das Interview führte Volker Hasenauer.