Erzbischöfliche Schule in Bonn nimmt Flüchtlingsmädchen auf

Käppi statt Kopftuch

Die erzbischöfliche Liebfrauenschule in Bonn startet als erste bischöfliche Schule eine Vorbereitungsklasse für Flüchtlingskinder. Schulpfarrer Dr. Dominik Schultheis sieht darin eine große Chance für die Flüchtlingsmädchen und die eigenen Schülerinnen.

Willkommensplakat für die Flüchtlingsmädchen  / © Liebfrauenschule Bonn
Willkommensplakat für die Flüchtlingsmädchen / © Liebfrauenschule Bonn

domradio.de: Sie haben schon im vergangenen November damit begonnen, Flüchtlingskinder auf der Schule aufzunehmen und das ist etwas Besonderes für eine erzbischöfliche Schule. Inwiefern?

Dr. Dominik Schultheis: Wir haben als Schule gesagt, wir können nicht einfach zusehen, während die Flüchtlinge hier in unserer Nachbarschaft in der Ermekeilkaserne ankommen und dort verbleiben. Wir haben sehr schnell auch mit der Schülervertretung gesagt, wir müssen etwas tun. Wir haben dann erst überlegt, wir könnten mit diesen Geflohenen, die in der Ermekeilkaserne ankommen, in Kontakt treten und dort unterschiedliche Angebote machen. Dann haben wir aber festgestellt, dass sie nur vorübergehend da sind, und dann kommen wieder neue Flüchtlinge.

Dann haben wir überlegt, was wir denn anderes tun können und haben uns gesagt, was die staatlichen Schulen können, nämlich Vorbereitungsklassen einrichten, das können wir auch. Dann sind wir einfach, so wie es der Geist unserer Schule ist, an die Stadt Bonn herangetreten und haben gefragt, ob sie uns nicht auch Flüchtlingskinder schicken könnten. Dann ist das Ganze in Gang gekommen und jetzt sind wir mittlerweile Pilotprojekt im Erzbistum Köln. Wir sind die erste erzbischöfliche Schule, die eine solche Vorbereitungsklasse für geflohene Mädchen zum 1. Februar offiziell an den Start bringt.

domradio.de: Wie viele Mädchen sind es mittlerweile?

Schultheis: Wir haben 16 Mädchen in dieser Vorbereitungsklasse. Wir haben dann noch in den regulären Klassen drei weitere Schülerinnen, und mit den neuen Fünftklässlern, die ab Sommer kommen, werden neue Flüchtlingskinder an unserer Schule zu erwarten sein.

Blue Jeans für Jesidinnen tabu

domradio.de: Wie läuft es denn bisher so mit der Vorbereitungsklasse und auch mit den Mädchen, die in die regulären Klassen gehen?

Schultheis: Das ist eine in der Tat ganz spannende Sache und es gibt vielfältige Dinge zu berichten. Zum einen merken wir, was das mit unseren Schülerinnen macht, die sich für diese Mädchen mit Fluchterfahrungen unheimlich stark ins Zeug legen. Als sie im November ankamen, sind einige Schülerinnen aus der Oberstufe losgezogen und haben individuelle Kulturbeutel zusammengestellt, weil das die Flüchtlingsmädchen gar nicht mitbrachten. Andere sind mit ihnen einkaufen gegangen, um Klamotten zu kaufen. Da haben wir dann zum Beispiel gelernt, dass unsere jesidischen Flüchtlingsmädchen keine Blue Jeans kaufen können. Warum nicht? Weil blau die Farbe der Priester in dieser Religion ist.

Kurdische Schülerinnen aus unserer Oberstufe haben sich als Dolmetscherinnen engagiert, da wir auch kurdische Flüchtlingskinder haben. So haben sich ganz unterschiedliche Dinge hier in der Schule aufgetan und es ist etwas in Bewegung gekommen, es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Wir sind nicht nur diejenigen, die Kinder aufnehmen, und ihnen möglichst einen regulären Alltag bieten, sondern wir als Schule lernen auch kulturell unheimlich viel und machen da ganz tolle Erfahrungen.

domradio.de: Wie bereiten Sie die Flüchtlingskinder auf Karneval vor, damit sie keinen Kulturschock erleben?

Schultheis: Wir würden einfach sagen, wir feiern gemeinsam mit ihnen Karneval. Wie das hier im Rheinland eben so ist, wir werden sie einhaken, dann schunkeln sie einfach mit. Ich glaube, da sehe ich weniger ein Problem. Wir hatten ein anders Problem, in zwei Wochen werden wir einen Feueralarm an der Schule proben. Wir müssen die Flüchtlingskinder darauf vorbereiten, wenn hier auf einmal die Sirenen losgehen, nicht womöglich irgendwelche Traumata aufbrechen.

Kein Kopftuch, dafür sind Käppis erlaubt

domradio.de: Die spezielle Kleiderproblematik haben sie gerade angesprochen, Blue Jeans gehen gar nicht bei Jesiden, wie sieht es denn in Sachen Kopftuch aus?

Schultheis: Das haben wir mit den Schülerinnen hier und den Eltern, sofern denn die Flüchtlingsmädchen Eltern mit dabei haben, geklärt, weil an den erzbischöflichen Schulen generell Kopftuch nicht getragen wird. Das haben die Schülerinnen dann auch so verstanden, und wir haben eine Lösung gefunden. Wenn sie doch eine Kopfbedeckung aus religiösen Gründen tragen wollen, dann muss es ja nicht das klassische Kopftuch sein, dann reicht vielleicht im Schulbetrieb auch eine Kappe. Die ist bei den anderen Schülerinnen nicht erlaubt, aber da würden wir dann mal ein Auge zudrücken. Das klappt bisher.

domradio.de: Würden sie sagen, das ist ein Projekt, ein Modell, das sich auch auf andere Schulen übertragen lässt?

Schultheis: Ich würde sagen, ja. Ich würde nicht sagen, wir müssen das immer alles erst überlegen. Wir haben nicht lange gezögert, sondern wir sind losgegangen und uns gesagt, wir machen das jetzt. Ich bin ja auch noch Diözesankurat der DPSG, der Pfadfinderschaft St. Georg im Erzbistum. Da habe ich gelernt: "Groß Denken, klein wird es von selbst". Und so haben wir es hier auch gemacht. Wir haben groß gedacht, nicht nur die Probleme geschoben und gewälzt. Die werden selbstverständlich kommen, aber wenn sie da sind, wird es dafür eine Lösung geben. Ich glaube, das ist ein gutes Rezept, wie man damit umgehen kann. 

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR