Erstmals Comedy in einer Moschee

Kabarett am Minarett

Ein so ernstes Thema wie Religion und das lose Mundwerk von Spöttern - das ist schon mit Blick auf das Christentum alles andere als spannungsfrei. Und nun Comedy in einer Moschee, während die Marxloher Muslime ein Stockwerk höher beten? Der Kölner Kabarettist Jürgen Becker hat es gewagt.

Autor/in:
Andreas Otto
 (DR)

Jürgen Becker nimmt es gelassen. Eigentlich sei ja das Wichtigste am Kabarett das Bier hinterher, verrät er den rund 400 Zuhörern im Saal. "Das geht hier jetzt aber nicht", betont er ganz nüchtern seinen besonderen Respekt gegenüber den Gastgebern. Der Comedian tritt am Freitagabend in der Begegnungsstätte der Duisburger Merkez-Moschee auf - und begründet damit eine bundesweite Premiere. Denn erstmals findet Kabarett in einer islamischen Gemeinde statt.



Der Streit um die Mohammed-Karikaturen ist keinesfalls vergessen. Und so spricht Becker selbst bei dem Abend unter dem Motto "Kabarett am Minarett" von einem "Wagnis". Seine Witze über das Alkoholverbot und andere religiöse "Speisetabus" kommen indes beim - allerdings überwiegend deutschstämmigen - Publikum an.



Aber auch bei Zehra Yilmaz, der Leiterin der Begegnungsstätte. Die Muslima engagiert sich seit Jahrzehnten im christlich-islamischen Dialog und will auch mit dieser Veranstaltung zur Verständigung unter den Kulturen beitragen. Schließlich sei es doch besser, "miteinander zu lachen, statt übereinander". Wie so oft tritt Becker, dem als Kölsch-Anhänger der Bier-Verzicht in dem von ihm als Alt-Region wahrgenommenen Duisburg doch nicht so viel ausmacht, nicht alleine auf. Die vier Kabarettisten Alparslan Marx, Meltem Kaptan, Özgür Cebe und Senay Duczu bestreiten das Programm mit und thematisieren den Hintergrund ihrer türkischen und den Vordergrund ihrer deutschen Heimat.



Wer fährt so spät entlang der Spree, es ist der Ali im 3er BMW

"Ich komme aus der Türkei. Genauer: aus der Stadt Duisburg", stellt sich Senay Duczu vor, um dann über Unterschiede in den Kulturen zu philosophieren. Die Türken besuchten sich noch spontan. Unter den Deutschen pflegten diese Praxis nur noch Postboten, Polizisten, Ausländerämter und die Zeugen Jehovas, die in stundenlangen Diskussionen ihrem glaubensfesten Vater immerhin Deutsch beigebracht hätten.



Özgür Cebe unterstreicht das Verbindende zwischen den Welten, zitiert sogar Goethes Erlkönig: "Wer reitet so spät durch Nacht und Wind, es ist der Vater mit seinem Kind", um dann die weiterentwickelte Migranten-Version zum Besten zu geben: "Wer fährt so spät entlang der Spree, es ist der Ali im 3er BMW". Cebe erinnert an das vor 50 Jahren geschlossene Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik und dem Land seiner Eltern. "Erst kamen wir nicht rein, nun seid ihr nicht allein", besingt er die ungeplante und über Jahrzehnte gewachsene Verwurzelung der Türken in Deutschland, wo wegen "falscher Kalkulation" inzwischen die "dritte Generation" lebt.



Die Muslima Meltem Kaptan entdeckt Parallelen bei der Behandlung deutscher und türkischer Frauen und zitiert zum Beweis aus einem "Handbuch für die gute Ehefrau" aus den 50er Jahren: Stets ein gutes Abendessen bereithalten, den Mann nach anstrengenden Arbeitstag mit einem Lächeln begrüßen... Der Ratgeber landet schließlich im Abfall - auch Feminismus kann verbinden. Als "Integrator" präsentiert sich auch Alparslan Marx, der vor 30 Jahren in Deutschland erst nur der Türke war, dann schon bald ausländischer Mitbürger wurde und jetzt "ganz normaler Deutscher mit Migrationsgeschichte" ist. Das Alkoholverbot stört ihn kein bisschen, denn "ich trinke sowieso nur Kölsch".



Diese Sicht der Dinge eröffnet Jürgen Becker doch noch die Aussicht auf das gewohnte Gläschen zum Absacken. Er macht sich unterdessen aus christlicher Sicht Gedanken über die Chancen der Integration. Denn wenn schon Katholiken und Protestanten sich so schwer miteinander täten, wie sollen dann erst die verschiedenen Kulturen ihre Grenzen überwinden, fragt er. Und proklamiert dann eine ganz eigene Vision des hochprozentigen Miteinanders: "Integration ist erst gelungen, wenn der Papst mit dem Papamobil durch Wittenberg fährt - und Margot Käßmann sitzt am Steuer."