Erstes deutsches Islam-Schulbuch stellt einen Durchbruch dar

Ein Edelstein im Schulranzen

Ein blauer Saphir im Schulranzen: Welches Kind hätte einen solchen Edelstein nicht einmal gerne bei sich. Seit dieser Woche haben manche muslimischen Schüler in Deutschland dieses Glück. Der Kösel-Verlag aus München legt ihnen unter dem Titel "Saphir" das erste deutschsprachige Religionsbuch für den Islamunterricht in den Ranzen. Mitherausgeberin und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor schreibt im Vorwort: "Wie ein Edelstein soll euch das Buch begleiten und seine kostbaren Seiten nach und nach zum Leuchten bringen."

Autor/in:
Viola van Melis
 (DR)

So strahlen muslimischen Schülern ab dieser Woche in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen - nach dem Ferienende auch in Bayern - viele bunt gestaltete Seiten entgegen. Die Zeit der losen Blattsammlungen in den wenigen deutschen Schulen, die schon Islam in Schulversuchen unterrichten, ist vorbei. In 15 Kapiteln lernen Fünft- und Sechstklässler die Botschaft des islamischen Glaubens kennen. Kein türkischer Verlag und kein wohlhabender Scheich haben das Projekt aus der Ferne gesteuert, sondern der auf christlichen Religionsunterricht spezialisierte Kösel-Verlag.

Wer war der Prophet Mohammed, was steht im Koran, warum beten wir, was sind die fünf Säulen des Islam: Antworten auf solche Fragen gibt das kartonierte Buch im abwaschbaren blauen Einband in einfacher Sprache. Didaktisch ist der Band auf Reflexion, Kreativität und Dialog der Schüler ausgerichtet. Die Herausgeber wollen weg vom Frontalunterricht der meisten Koranschulen. Eine der vielen bunt unterlegten Arbeitsanweisungen heißt etwa: «Die meisten Menschen damals in Mekka konnten nicht lesen. Wen hättet Ihr um Hilfe gebeten, um zu verstehen, was Gott offenbarte.»

Im Kapitel über Engel steht: «Sammelt Darstellungen von Engeln - aus dem Schaufenster, der Werbung oder dem Internet.» Die moderne Lebenswelt der Schüler wird immer wieder in religiöse Fragen integriert. Der modernen Lehrmethode entspricht die grafische Aufmachung von «Saphir 5/6": Islamische Miniaturen und Kalligraphien finden sich neben Paul-Klee-Bildern, Kinderzeichnungen und bunten Fotos aus dem Schulalltag und von prominenten Muslimen in Deutschland. Unter dem Titel «Glaube verbindet» führt das Schulbuch auch in interreligiöses Denken ein, etwa mit einem multireligiösen Festkalender. Schließlich widmet es sich den Besonderheiten muslimischen Lebens in Deutschland.

Nach jahrzehntelangen Bemühungen um die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts in deutscher Sprache stellt das Schulbuch einen Durchbruch dar: Islamische Verbände können sich bis heute weder auf kleinster lokaler Ebene noch auf Länderebene auf Lehrpläne einigen.
So wird der Islam nirgends als ordentliches Schulfach unterrichtet, in einigen Bundesländern wie Bayern und Nordrhein-Westfalen in mehr oder weniger fest etablierten Schulversuchen.

Die Herausgeber von «Saphir», die für das kommende Jahr den Band für die siebte und achte Klasse planen, wollen die Unterrichtsreihe auch als politisches Signal verstanden wissen, wie Kaddor betont. Mit den Hilfskonstruktionen der Schulversuche müsse Schluss sein.
Deutschland brauche islamischen Religionsunterricht als regulären Bekenntnisunterricht - nicht mit dem neutralen, informierenden Charakter wie bisher. Bund, Länder und Vertreter der Muslime hatten sich im Frühjahr auf der dritten Islamkonferenz in Berlin geeinigt, das Fach einführen zu wollen. Dass es kein modern aufgemachtes Lehrmaterial gebe, kann nun nicht mehr als Ausrede dafür dienen, das Vorhaben noch weiter aufzuschieben.

Buch-Hinweis:
Lamya Kaddor, Rabeya Müller, Harry Harun Behr, Saphir 5/6.
Religionsbuch für junge Musliminnen und Muslime. Kösel-Verlag, München 2008. 192 Seiten, kartoniert, 14,95 Euro.