Erste Reaktionen und Bilanzen des Papstbesuchs

Zwischen Hoffnung und Enttäuschung

Nach Abschluss der Bayernreise des Papstes fallen die Reaktionen auf den zweiten Deutschlandbesuch des Kirchenoberhaupts - wie zu erwarten war - höchst unterschiedlich aus. Der Tübinger Theologe Hans Küng und der Kirchenkritiker Eugen Drewermann sagten, es gebe keine Anzeichen für ein Umdenken in der Kirche.

 (DR)

Nach Abschluss der Bayernreise des Papstes fallen die Reaktionen auf den zweiten Deutschlandbesuch des Kirchenoberhaupts - wie zu erwarten war - höchst unterschiedlich aus. Der Tübinger Theologe Hans Küng und der Kirchenkritiker Eugen Drewermann sagten, es gebe keine Anzeichen für ein Umdenken in der Kirche. Dagegen erwarten katholische Bischöfe von der Visite neue Impulse für die Kirche in Deutschland. 69 Prozent der Bayern gehen laut einer Umfrage von einer nachhaltigen Wirkung des Papstbesuches aus. 72 Prozent der Katholiken und 74 Prozent der Protestanten meinen, dass die Reise dem Glauben Impulse gebe, so eine infratest-Untersuchung. domradio.de dokumentiert an dieser Stelle in den kommenden Tagen positive wie kritische Kommentare und Bilanzen der Bayernvisite.

Stoiber zieht positive Bilanz des Papstbesuches
Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat eine positive Bilanz des Papstbesuches gezogen. Der sechstägige Aufenthalt Benedikts XVI. in seiner bayerischen Heimat werde nachhaltige Wirkung haben, sagte Stoiber am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. «Benedikt XVI. verbindet Heimatliebe und Treue zur Heimat mit einer universalen Botschaft», die den Menschen tief unter die Haut gehe, so der Ministerpräsident. Am letzten Tag seiner Reise besuchte der Papst am Donnerstag Freising, wo er 1951 zum Priester geweiht worden war.

Gastgebender Bischof Wetter: "Ein Fest des Glaubens"
Wetter sprach von bewegenden Tagen. Der Besuch sei nicht nur im Land, sondern auch in den Herzen der Menschen angekommen. Die Anteilnahme war nach seinem Eindruck über Erwarten groß. Der Kardinal sprach von einem "großen Fest des Glaubens", das gezeigt
habe: "Die Kirche lebt, und die Kirche ist jung. Höhepunkte waren die Gottesdienste mit den Predigten des Papstes. Deutlich geworden sei die entscheidende Bedeutung der Gottesfrage. Zwar werde es, meinte Wetter, in den nächsten Tagen gewiss keine Massenbekehrungen geben. Aber der Besuch werde Tiefen- und Langzeitwirkung in unzähligen Menschen haben und zu glaubwürdigem Christuszeugnis ermutigen.

Gastgebender Bischof Schraml: "Großes Geschenk"
Schraml, zu dessen Bistum Altötting und der Papst-Geburtsort Marktl gehören, sprach von einem "großen Geschenk" des Papstes. Er habe den dankbaren Menschen einfach sein Herz geschenkt. "Es ist schön, in dieser Kirche sein zu dürfen, mit dieser Kirche für die Menschen arbeiten zu dürfen", meinte er. Schraml verwies auch auf eine "erstaunliche körperliche Rüstigkeit" des 79-jährigen Papstes und erinnerte daran, dass Benedikt XVI. der Gottesmutter in Altötting seinen Bischofsring geschenkt habe. Müller betonte, der Pastoralbesuch sei von Höhepunkt zu Höhepunkt geeilt und habe die Schönheit des christlichen Glaubens vor Augen geführt. Als Sternstunde der deutschen akademischen Tradition bewertete er die Rede des Papstes in der Universität Regensburg. "Kleinkarierte Kritik am Rande" gegen diese Rede wies er zurück. Diese ausländischen Kritiker hätten wahrscheinlich noch nie eine deutsche Universität von innen gesehen und wüssten nicht um die akademische Tradition. Auch die ökumenische Vesper sprach Müller an; sie habe gezeigt, dass sich die Konfessionen in wesentlichen Fragen einig seien und gemeinsam Gott loben könnten.


Kardinal Lehmann weist Kritik am Papst zum Thema Ökumene zurück
Kardinal Karl Lehmann hat den Bayernbesuch von Papst Benedikt XVI. als "großen Beitrag zur Kultur der Religion in unserem Land" bewertet. Der Papst habe die Würde seines Amtes mit einem einfachen, bescheidenen Auftritt verbunden und sei damit sehr gut angekommen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Donnerstag vor Journalisten auf dem Flughafen München.

Lehmann, wendet sich gegen den Vorwurf mangelnder ökumenischer Signale beim Besuch des Papstes in Bayern. Lehmann verwies darauf, dass die Reise von Benedikt XVI. in seine Heimat einen persönlichen Charakter hatte. Es sei von Anfang an nicht geplant gewesen, dabei "neue Programme" zu entwickeln.

Der Kardinal betonte zugleich, man könne auch "zwischen den Zeilen" lesen. So sei die Art des Papstes, Gemeinsamkeiten der katholischen und evangelischen Christen herauszustellen,
"weiterführend".

Hofmann: Weg weisende Aussagen
Auch der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann würdigte die einfache und zu Herzen gehende Sprache des Kirchenoberhaupts.
Benedikt XVI. habe ohne moralischen Zeigefinger gesprochen und dennoch in seinen Predigten für die Christen Weg weisende Aussagen gemacht. Er verwies insbesondere auf die Äußerungen über die Verbindung von Glauben und Vernunft und über die Bedeutung des gemeinsamen Glaubensbekenntnisses für die Ökumene. Benedikt XVI. habe betont, dass die Frage nach dem Glauben eine zentrale Überlebensfrage der Gesellschaft sei.

Der Bischof rechnet allerdings nicht damit, dass der Papstbesuch zu stark steigenden Kircheneintrittszahlen führen wird. Schon vorher habe es einen leichten Trend zu mehr Erwachsenentaufen und Wiedereintritten gegeben. "Man kann aber nicht ausschließen, dass der eine oder andere durch dieses Erlebnis des Papstbesuchs sein Verhältnis zur Kirche überdenkt."

Bischof Gebhard Fürst: Frohe Botschaft
Der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst sagte der "Stuttgarter Zeitung" (Donnerstagausgabe), dem Papst sei es gelungen, die christliche Botschaft als frohe Botschaft zu präsentieren. "Der Papst kommt nicht daher als einer, der zunächst Disziplin fordert und Gefahren für den Glauben bedrohlich beschreibt." Er betonte, es habe sich in erster Linie um einen persönlichen Besuch der bayerischen Heimat gehandelt.

Bischof Müller: "Was uns verbindet"
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sagte, Ziel der ökumenischen Vesper am Dienstagabend seien nicht "irgendwelche sensationellen Botschaften" gewesen. Vielmehr sei es darum gegangen zu sagen, "was uns verbindet". Trotz aller Unterschiede bildeten die
Christen auch gegenüber der Gesellschaft eine «einheitliche Kraft».

Drewermann sieht keine Wende
Der Kirchenkritiker Eugen Drewermann sieht keine Wende im Denken von Papst Benedikt XVI. Bei Themen wie Homosexualität, wiederheiratet Geschiedener, Ökumene oder Geburtenkontrolle habe sich nichts geändert, sagte er im Südwestrundfunk (SWR) in Baden-Baden. Auf die Frage, ob der bescheidene Stil von Benedikt XVI. gegen einen Anspruch von Unfehlbarkeit zu stehen scheint, sagte Drewermann: "Er kann sich so weich geben wie er möchte, erst wenn er in der Substanz etwas wirklich Neues spricht, mag man ihm glauben."

"Wir sind Kirche" enttäuscht vom Papstbesuch
Enttäuscht über den Papstbesuch in Bayern hat sich die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" geäußert. Während sich der Papst persönlich während der sechs Tage als milde und positiv präsentiert habe, habe er inhaltlich keinerlei Hoffnungszeichen auf absehbare Reformen in der katholischen Kirche gesetzt, erklärte die Gruppierung am Donnerstag in München. Das vom Kirchenoberhaupt gezeichnete Bild eines liebevollen Gottes finde "noch keine Entsprechung in den gegenwärtigen Strukturen" der Kirche.

Als "uneingeschränkt positiv" hob "Wir sind Kirche" die Aussage des Papstes hervor, dass das Christentum nicht durch Verbote, sondern als "positive Option" zu beschreiben sei. Um so bedauerlicher sei es jedoch, dass beispielsweise zu den Themen Ökumene, Stellung der Frauen, Pflichtzölibat und Bedeutung der Laien jede konkrete Aussage vermieden worden sei. Auch im Konflikt zwischen dem Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller und den Laien im dortigen Bistum habe sich der Papst nicht als "Oberster Brückenbauer" gezeigt.

Abtprimas Wolf: Papst hat seine Reise sichtlich genossen
Papst Benedikt XVI. hat nach Einschätzung des Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf, den Besuch in Bayern sichtlich genossen. Es sei in diesen Tagen schön zu sehen gewesen, dass der einstige gestrenge Glaubenswächter so locker und gelöst geworden sei, sagte Wolf am Donnerstagmorgen dem Bayerischen Rundfunk. Zudem verteidigte er den Papst gegenüber Kritikern, die sich etwa in Ökumenefragen noch mehr von ihm erhofft hätten. Benedikt XVI. könne bei einer solchen Reise nur symbolisch Zeichen setzen; die noch anstehenden Dinge ließen sich nicht mit einem Federstrich lösen.

Küng vermisst vom Papst reformerische Signale
Der Tübinger Theologe Hans Küng hat eine kritische Bilanz des Papstbesuchs in Bayern gezogen. Er habe von Benedikt XVI. jegliche reformerische Signale vermisst, sagte Küng am Donnerstag dem Bayerischen Rundfunk. So habe der Papst über bestehende Probleme wie den Priestermangel hinweggeredet. Nur mit Aufrufen für mehr Priester werde man die Lage in der Seelsorge nicht verbessern. Ein gefüllter Münchner Marienplatz garantiere noch keine besser gefüllten Kirchen in der Stadt, so der Theologe. Auch Tausende Ministranten garantierten keine künftigen Priester, die auf Frauen verzichten wollten.

In Sachen Ökumene missfiel Küng der Auftritt des evangelischen Landesbischofs von Bayern, Johannes Friedrich. Dieser habe alle stritigen Fragen wie das gemeinsame Abendmahl oder die Unfehlbarkeit des Papstes total verschwiegen. "Der war selig, in Anwesenheit des Papstes eine harmlose Predigt halten zu dürfen", monierte Küng. Insgesamt sei dem Papst aber ein würdiger Emfpang und eine frohe Stimmung bereitet worden. "Darüber kann man sich nur freuen.

Huber äußert indirekt Kritik am Papst
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat sich kritisch zu den ökumenischen Aspekten der Papstreise in Bayern geäußert. Er warnte am Mittwoch in Budapest davor, die Bedeutung der evangelischen Kirchen gering zu schätzen. "Es ist hilfreich festzustellen, dass die Kirchen der Reformation als Kirchen von Anfang an Teil der gemeinsamen kirchlichen Tradition sind", sagte der Berliner Bischof am Rand der 6. Vollversammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirche in Europa (GEKE).

Hintergrund ist die Rede von Papst Benedikt XVI. bei der Vesper und der ökumenischen Begegnung am Dienstag im Regensburger Dom. Dabei hatte Benedikt XVI. zuerst die Vertreter der orthodoxen Kirche und dann "die Freunde aus den verschiedenen Traditionen der Reformation" begrüßt, den Begriff "protestantische Kirchen" also vermieden.

Huber äußerte Verständnis dafür, dass der Papst seine bayerische Heimat besuchen und damit zu seinen biographischen Wurzeln zurückgehen wollte. "Das hat der Reise von Anfang an einen klaren Charakter gegeben und hielt mich davon ab, zu große Erwartungen bei ökumenischen Themen zu haben." Falls der Papst noch einmal nach Deutschland komme, hoffe er, Huber, dass sich die ökumenische Realität dann in einer angemessenen Weise widerspiegeln würde.

ev. Landesbischof Dr. Johannes Friedrich: "Papst predigt evangelisch"
Friedrich, ist vom Besuch des Papstes in seiner Heimat äußerst angetan. "Der Papst predigt richtig evangelisch", sagte Friedrich am Dienstagabend in der "Münchner Runde" im Bayerischen Fernsehen. In der Ansprache von Benedikt XVI. beim Gottesdienst auf dem Münchner Messegelände habe es keinen Satz gegeben, den er nicht hätte unterschreiben können, bekannte der Landesbischof.

Positiv vermerkte Friedrich auch die starke Orientierung der Papstreden am Evangelium. Dies sei ihm vor allem in Altötting aufgefallen. Die dortige Predigt könne den evangelischen Christen durchaus helfen, "die biblische Maria wieder stärker zu entdecken". Hier gebe es in seiner Kirche Defizite, merkte der Landesbischof selbstkritisch an. Gottesdienste wie die ökumenische Vesper im Regensburger Dom sollten öfter gefeiert werden, betonte Friedrich. Es sei wichtig, "dass wir spirituell miteinander weiterkommen".

Theologisch verbinde den evangelischen Landesbischof viel mehr mit dem Papst als ihn trennt: Johannes Friedrich zeigte sich begeistert von der Predigt des Papstes. "Im Herzen können wir schon ganz viel miteinander tun, miteinander Gott loben, preisen und beten". Der Landesbischof hofft, dass der Besuch des Papstes evangelische und katholische Christen im Herzen näher zueinander bringt. Für einen theologischen Dialog sei eine solche Reise nicht geeignet.

Kurienkardinal Walter Kasper zufrieden
Kurienkardinal Walter Kasper hat die Ansprache von Papst Benedikt XVI. bei der ökumenischen Vesper im Regensburger Dom gelobt. Entscheidend sei, dass der Papst Defizite auf beiden Seiten benannt habe, sagte der vatikanische "Ökumeneminister" am Dienstagabend im Bayerischen Fernsehen. "Die eigentliche Not in der Ökumene ist doch, dass uns die gemeinsame Substanz wegschmilzt", erklärte Kasper. "Was die Leute unter Gott verstehen, ist häufig äußerst vage."

Lale Akgün: Benedikt Aussagen zu Dialog mit Muslimen "ganz großartig"
„Ich bin sehr froh, dass der Papst betont hat, wie wichtig die Integration von Muslimen in Deutschland ist. Ich denke, dass der Papst gerade als Deutscher eine besondere Sensibilität für das Thema Integration hat. Ein deutscher Papst ist deshalb auch für die Muslime in unserem Land ein Glücksfall. Auch die Muslime in Deutschland können jetzt sagen: Wir sind Papst! ", sagt die Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Lale Akgün.  Papst Benedikt der XVI. habe zu verstärkten Anstrengungen bei der Integration von Muslimen in Deutschland und zum Dialog mit der islamischen Welt aufgerufen. Von großer Bedeutung sei dies auch mit Blick auf die Islamkonferenz des Innenministers, so Akgün weiter. „Von der Äußerung des Papstes geht an alle Menschen in Deutschland- egal welchen Glauben sie haben- das Signal aus: Wir gehören zusammen, wir sind eine Gesellschaft. Ein solches Signal wünsche ich mir auch von der Islamkonferenz am 27. September", sagt Dr. Lale Akgün.
Dennoch sei die Haltung der katholischen Kirche zu Homosexuellen, Abtreibung und zu Verhütungsfragen kritisch zu sehen. „Ich würde mir wünschen, dass sich der Papst mit genauso großer Toleranz und genauso großem Verständnis für die Vielfalt menschlicher Lebensformen den Schwulen und Lesben und der Frage der „Homo-Ehe" widmen würde", sagt Dr. Lale Akgün.
(KNA,epd,dr,rv,ddp)