Erst vor 400 Jahren wurde Paris zum Erzbistum befördert

Späte kirchliche Aufwertung für Frankreichs Hauptstadt

Frankreichs Hauptstadt ist ein Zentrum der westlichen Welt; und das schon seit der Antike. In der kirchlichen Rangfolge musste sie aber fast eineinhalb Jahrtausende nachsitzen. Dabei war Paris schon immer eine Messe wert.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Ansicht der Südseite der Kathedrale Notre-Dame de Paris - Unsere liebe Frau von Paris aus dem Jahr 2009.  / © Harald Oppitz (KNA)
Ansicht der Südseite der Kathedrale Notre-Dame de Paris - Unsere liebe Frau von Paris aus dem Jahr 2009. / © Harald Oppitz ( KNA )

Paris zählt unbestritten zu den wichtigsten Metropolen der Welt, und das Pariser Erzbistum zu den wichtigsten Diözesen der katholischen Weltkirche. Traditionell erhält der Erzbischof von Paris im Laufe seiner Amtszeit den Kardinalsrang. Da scheint es verwunderlich, dass die Diözese das gesamte Mittelalter über als einfaches Bistum zur Kirchenprovinz Sens gehörte – und erst vor genau 400 Jahren zum eigenen Erzbistum erhoben wurde.

Die kirchlichen Ursprünge von Paris liegen am Montmartre-Hügel ("Hügel der Märtyrer") und in der heutigen Vorstadt Saint-Denis. Auf dem Montmartre errichteten in der Antike gallische Druiden und Römer heidnische Kultstätten. Um 250 erlitt hier der heilige Dionysius (frz. Denis), erster historisch erwähnter Bischof von Paris, während der Christenverfolgung unter Kaiser Decius das Martyrium. Der Legende nach nahm er auf dem Richtplatz sein abgeschlagenes Haupt und lief damit sechs Kilometer Richtung Norden. Wo sich der Geköpfte schließlich niederlegte, erhebt sich heute die Basilika Saint-Denis, Grablege von 75 Königinnen und Königen.

Pariser Bischof ausgeschlossen

Augenfälliges Zeichen der minderen kirchlichen Rangstellung von Paris war die feierliche Krönung der französischen Könige in der Kathedrale von Reims: Anders als die sechs kirchlichen Kronvasallen ("pairs") – der Erzbischof-Herzog von Reims, die Bischof-Herzöge von Laon und Langres, der Bischof-Grafen von Beauvais, Chalons und Noyon – und als die Äbte von Saint-Remi in Reims als Wächter der Heiligen Ampulle (Salböl) und von Saint-Denis als Wächter der königlichen Insignien und Grablege durfte der Pariser Bischof nicht an der Zeremonie teilnehmen.

Licht fällt durch Buntglafenster auf Säulen in der Chapelle de Conflans in Charenton-le-Pont / © Corinne Simon (KNA)
Licht fällt durch Buntglafenster auf Säulen in der Chapelle de Conflans in Charenton-le-Pont / © Corinne Simon ( KNA )

Im Zuge des Hundertjährigen Krieges (1337-1453) wurden dann die Karten noch mal neu gemischt. Die politischen Geschicke des Landes verlegten sich stärker in die Loire-Region mit den Nebenflüssen Cher, Indre oder Vienne. Die dortigen Burganlagen und Festungen, allen voran Chinon, bildeten zeitweise die Grenze zwischen den von englischen Streitkräften besetzten Gebieten im Norden und dem französischen Kernland. Auch Paris war von 1420 bis 1436 von den Engländern besetzt.

Ende der Religionskriege

Zwar verlor die Loire nach Kriegsende ihre strategische Bedeutung. Doch König und Adel gefiel es offenbar gut in den sanften Flusstälern; sie herrschten fortan von hier über ihre Lehen und bauten die einstigen Verteidigungsanlagen im 15. und 16. Jahrhundert zu jenen prächtigen Renaissanceschlössern aus, bis heute zum Weltkulturerbe der Unesco gehören. Paris und die Loire, Zentrale und Provinz hatten die Rollen getauscht.

Erst nach den Religionskriegen kehrten der Hof und mit ihm das politische und kulturelle Leben Frankreichs endgültig nach Paris zurück; besiegelt durch die Thronbesteigung des einstigen Hugenotten Heinrich IV. 1594. Der Bau des Schlosses Versailles bei Paris wirkte magnetisch auf den hohen Adel, der bald nicht mehr abseits, an der Loire, verbleiben konnte.

Heute 60 Prozent Katholiken in Paris

Dem Königtum konnte diese Entwicklung – ein strahlender Fixstern mit abhängigen Trabanten – nur recht sein. So unterstützten die Könige nun auch die Umwandlung des Bistums Paris in ein Erzbistum; ein Schritt, den der Jurist und Jesuitenschüler Papst Gregor XV. vor genau 400 Jahren, am 20. Oktober 1622, mit der Bulle "Universi orbis" vollzog. Frankreichs Hauptstadt ist seit dieser Zeit auch ein Zentrum der Kunst, des geistigen Lebens und politischer Ideen, so auch von Absolutismus, Aufklärung und Revolution. Auch das Amt des Hauptstadtbischofs wurde damit fast automatisch politischer.

Porträt von Papst Gregor XV., 1621-1623 / © KNA-Bild (KNA)
Porträt von Papst Gregor XV., 1621-1623 / © KNA-Bild ( KNA )

Im Bereich des Erzbistums Paris leben heute gut 2,2 Millionen Menschen; davon sind rund 1,35 Millionen katholisch getauft; ein Bevölkerungsanteil von 60 Prozent. Das Einzugsgebiet der Hauptstadt umfasst sogar rund 12,5 Millionen Menschen. Es wurde kirchlich zuletzt 1966 neu eingeteilt. Damals entstanden unter dem Dach der Kirchenprovinz Paris die neuen Diözesen Creteil, Evry-Corbeil-Essonnes, Nanterre, Pontoise und Saint-Denis. Hinzu kommen die Bistümer Versailles (seit 1802) und Meaux, gegründet im 3. Jahrhundert.

Pariser Erzbischöfe wie Kardinal Jean-Marie Lustiger (1926-2007) haben auch im 20. Jahrhundert das Gesicht der französischen Kirche entscheidend mitgeprägt. Seit 2003 ist Paris Teil eines weltkirchlichen Projekts zur Erneuerung der Großstadtpastoral.

Das Erzbistum Paris

Das Erzbistum Paris gehört zu den renommiertesten Diözesen der katholischen Weltkirche. Sein Leiter erhält traditionell im Laufe seiner Amtszeit den Kardinalsrang. Im gesamten Mittelalter gehörte das Bistum Paris noch zur Kirchenprovinz Sens. Erst vor 400 Jahren, 1622, wurde es selbst zum Erzbistum erhoben.

Ansicht der Südseite der Kathedrale Notre-Dame de Paris - Unsere liebe Frau von Paris aus dem Jahr 2009.  / © Harald Oppitz (KNA)
Ansicht der Südseite der Kathedrale Notre-Dame de Paris - Unsere liebe Frau von Paris aus dem Jahr 2009. / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA