Erneute Kontroverse um Patientenverfügungen im Bundestag

Signale zum Kompromiss

Der Bundestag hat am Mittwoch erneut um eine rechtliche Regelung von Patientenverfügungen gestritten. Dabei blieben der Grad der Verbindlichkeit und die Reichweite solcher Verfügungen umstritten. Mehrere Redner sahen zwischen zwei der drei vorliegenden Gesetzentwürfe Kompromissmöglichkeiten. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zeigte sich vor der Debatte optimistisch, dass es bis zum Sommer zu einem Gesetz kommen werde. Anfang März steht nun eine Expertenanhörung an.

 (DR)

Mit Patientenverfügungen können Menschen vorab festlegen, wie sie im Fall von schwerer Erkrankung und Nichteinwilligungsfähigkeit behandelt werden wollen. Zu ihrer rechtlichen Regelung liegen dem Bundestag jeweils fraktionsübergreifend formulierte Entwürfe vor.

Das Parlament diskutiert das Thema seit gut fünf Jahren. Die erneute gut 100-minütige Aussprache im schwach besetzten Plenum an diesem Mittwoch verlief kontrovers und zumeist nachdenklich und sachlich. Vereinzelt wandten sich Abgeordnete auch gegen jede gesetzliche Regelung. Auch nach der Aussprache zeichnet sich für keinen der drei Entwürfe eine Mehrheit ab.

Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten betont konsequent der Entwurf der Gruppe um den SPD-Rechtsexperten Joachim Stünker. Das dem CDU-Abgeordneten Wolfgang Bosbach zugeordnete Konzept sieht je nach Krankheit und Krankheitsphase eine abgestufte Verbindlichkeit der Dokumente vor und setzt auf ärztliche und rechtliche Beratung. Nach dem dritten Vorschlag von Wolfgang Zöller (CSU) sollen Verfügungen «grundsätzlich verbindlich» sein. Er betont dabei die Rolle des Arztes als Entscheider. 15 Redner teilten sich auf diese konkurrierenden Ansätze auf.

Mehrere Unterstützer des Stünker-Entwurfs warben bei der Zöller-Gruppe um Kompromissbereitschaft. Allein zwischen diesen beiden Konzepten sei eine Verständigung möglich. «Niemand hat das Recht, sich an die Stelle eines Patienten zu setzen», sagte Christoph Strässer (SPD). Jerzy Montag (Grüne) und Michael Kauch (FDP)mahnten, Lebensschutz sei nur innerhalb der Selbstbestimmung möglich, nicht gegen sie und warnten vor Fremdbestimmung.

Dagegen wandten sich Redner des Bosbach-Lagers gegen eine Überbetonung der Autonomie. Es müsse ein Gesetz geben, das «im Zweifel und nur dann, wenn es Zweifel gibt, für das Leben entscheidet», bekräftigte Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Gerade weil man die Selbstbestimmung der Verfügungen ernst nehmen müsse, sei gute Beratung wichtig. Bosbach selber sprach von Widersprüchen in den anderen Konzepten und warnte vor einer gesetzlichen Verankerung von Rechtsunsicherheiten. Auch Rene Röspel (SPD) und Otto Fricke (FDP) meinten, nur diese Vorlage gewähre Rechtssicherheit.

Auch Redner der Zöller-Gruppe deuteten Kompromissbereitschaft an. Zöller selber sprach von Möglichkeiten zu einer Verständigung, dann müsse es aber mehr Rechtssicherheit geben. Monika Knoche (Linke) nannte den Stünker-Entwurf «in mehreren Punkten nicht akzeptabel». Ihr Fraktionskollege Ilja Seifert warnte dagegen vor allen Entwürfen, die die Menschen nur verwirren würden.

Auch die Bundesärztekammer (BÄK) wandte sich erneut deutlich gegen alle drei Vorschläge. Ein kompliziertes Gesetz schaffe keine Klarheit, sondern stifte Verwirrung, so Präsident Jörg-Dietrich Hoppe. Schon heute und ohne Gesetz seien solche Verfügungen verbindlich, wenn sie eindeutig formuliert seien. Die Deutsche Hospiz-Stiftung sprach von teils erheblichen Schwächen in allen drei Gesetzesvorschlägen. Die Abgeordneten müssten zu einer guten Regelung noch viel Arbeit leisten.