Erneut Aufregung wegen Erika Steinbach

Wer hat wann (zurück-)geschossen?

Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach sorgt mit Äußerungen über Polen und den Zweiten Weltkrieg erneut für Aufregung. Sie will Steinbach bislang weder bestätigen noch dementieren.

Erika Steinbach (CDU) / © Schindler (dpa)
Erika Steinbach (CDU) / © Schindler ( dpa )

Sie soll gesagt haben: "Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat" Auf der Klausurtagung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geriet Steinbach mit Kulturstaatsminister Bernd Neumann aneinander, wie Teilnehmer berichteten. Neumann (CDU) hatte am Mittwoch Äußerungen der BdV-Funktionäre Arnold Tölg und Hartmut Saenger kritisiert, Steinbach nahm beide in Schutz. 

Tölg hatte davon gesprochen, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht habe und der deutsche Angriff nur der zweite Schritt gewesen sei. Die CDU-Mitglieder Tölg und Saenger sind als Mitglieder für den Beirat der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" benannt, der Zentralrat der Juden zog sich deswegen zumindest vorläufig aus dem Gremium zurück. 

Steinbach streitet ab 
Steinbach bestätigte am Donnerstag den Dissens mit Neumann, wies aber gleichzeitig Medienberichte zurück, sie habe Polen die Schuld für den Beginn des Zweiten Weltkrieges zugeschoben. Das ihr zugeschriebene Zitat "Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat" wollte Steinbach weder bestätigen noch dementieren. 

Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Cornelia Pieper (FDP), erklärte zu den Äußerungen der BdV-Mitglieder: "Ich halte Äußerungen, die die Verantwortung Nazi-Deutschlands für den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges relativieren, für sehr gefährlich. Sie stellen die Geschichte auf den Kopf und wir müssen aufpassen, dass sich aus solchen unbedachten Äußerungen keine Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis ergibt." 

Westerwelle: Äußerungen nicht akzeptabel 
FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle kritisierte die Äußerungen Steinbachs als nicht akzeptabel. Wer durch zweideutige Äußerungen die Verantwortung Deutschlands am zweiten Weltkrieg in Frage stelle, müsse bedenken, dass sies den geschichtlichen Tatsachen widerspricht, sagte er am Rande der Klausur der Bundestagsfraktion in Bergisch Gladbach. Der Außenminister betonte, damit werde dem Ansehen Deutschland im Ausland geschadet, "nicht nur bei unseren Nachbarländer, nicht nur in Polen". 

Die Linkspartei reagierte scharf. "Steinbachs Relativierung der deutschen Kriegsschuld entspricht der Logik von Hitlers Lüge, "ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen"", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, in Bad Saarow. Hitler hatte mit diesen Worten den Überfall der Wehrmacht auf Polen bekannt gegeben. Jelpke wertete die Äußerungen Steinbachs und der BdV-Vertreter im Stiftungsbeirat als "revanchistisch". Es handele sich um "eine unerträgliche Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses und eine weitere Brüskierung des Zentralrates der Juden in Deutschland". 

Die Verantwortung für den Eklat schrieb die Linke-Innenpolitikerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu. Merkel habe "immer der Erpressung des von ihr hofierten BdV nachgegeben und den Einfluss der Revanchisten im Stiftungsbeirat ausgebaut", kritisierte Jelpke. 

Grüne fordern Ablösung 
Der Parlamentarische Geschäftsführer und menschenrechtspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, erklärte: "Die Union muss sich klar von Steinbach distanzieren und auch personelle Konsequenzen ziehen." Forderungen nach einem Parteiausschluss seien folgerichtig. "Dass diese Frau die Menschenrechtspolitik der Union nach außen repräsentiert, ist unerträglich und kommt einem menschenrechtspolitischen Offenbarungseid gleich." Beck sagte, Steinbach beschädige zunehmend das Ansehen der Union. 

Abgeordnete der Union bemühten sich um Schadenbegrenzung. Klar war aber, dass sich Steinbach mit Kritik an Kanzlerin Angela Merkel und Neumann den Zorn vieler Abgeordneter zugezogen hat. Politische Themen rückten in den Hintergrund. Die BdV-Präsidentin hat laut Teilnehmern gar erklärt, dass sie Tölg und Saenger beim "Tag der Heimat" am Samstag in Berlin ausdrücklich verteidigen werde. Die Festrede auf der Veranstaltung hält der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer. 

Großes Unverständnis 
An der Fortsetzung der Fraktionsklausur nahm Steinbach nicht teil. Mehrere Teilnehmer der Fraktionsklausur wiesen übereinstimmend den Eindruck zurück, Steinbach habe auf der Sitzung für einen Eklat gesorgt. Auch ein Parteiausschluss sei nicht gefordert worden. Das Unverständnis über Steinbach sei jedoch groß gewesen, die Abgeordnete habe die laufende Sitzung verlassen und verschiedene Medien angerufen. 

Steinbach sei "völlig isoliert" gewesen, erklärte ein Vorstandsmitglied. Weiter hieß es, es habe viel Beifall für Neumann, aber keinen für Steinbach gegeben. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte, er habe "keine große Aufregung festgestellt". 

Kritik an Merkel 
Die Aufregung über Steinbach war auch deshalb groß, weil sie den Angaben zufolge zuvor Kanzlerin Merkel für ihre klare Distanzierung zu den Aussagen von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin kritisiert hatte, wie Teilnehmer berichteten. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) habe diese Kritik scharf zurückgewiesen. 

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, erklärte: "Die Äußerungen von Frau Steinbach sind unerträglich." Die SPD werde den Vorfall im Bundestag zur Sprache bringen.
 

Quelle:
KNA