Es bestehe der konkrete Anfangsverdacht, dass die Firma aus Uetersen in Schleswig-Holstein gegen das Futtermittelrecht verstoßen und eine gesundheitliche Beeinträchtigung von Menschen in Kauf genommen habe, sagte Oberstaatsanwalt Ralph Döpper dem "Westfalen-Blatt" (Online-Ausgabe). Der Tatzeitraum sei völlig offen, er könne mehrere Jahre betragen.
Zuvor war bekannt geworden, dass die Firma technische Mischfettsäure für die Futterproduktion eingesetzt hatte. Durch die richtige Kennzeichnung sei klar gewesen, dass die Ware nur für die technische Industrie, etwa zur Herstellung von Schmiermitteln, geeignet gewesen sei, sagte ein Sprecher des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit dem "Westfalen-Blatt". Harles & Jentzsch habe die von einem niederländischen Unternehmen bezogene Mischfettsäure zur Herstellung von Futterfett verwendet. Die Mischfettsäure selbst stammt von einer Biodiesel-Anlage der Petrotec AG in Emden.
Laut Sprecher sind dann 527 Tonnen des Futterfetts an sieben Futtermittelbetriebe in Niedersachsen, drei Futtermittelhersteller in Nordrhein-Westfalen und jeweils einen Hersteller in Hamburg und Sachsen-Anhalt geliefert worden. Diese zwölf Hersteller hätten Höfe unter anderem in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und Brandenburg beliefert.
Technische Mischfettsäure fällt unter anderem bei der Herstellung von Biodiesel an. Harles & Jentzsch hat nach eigenen Angaben jahrelang Reste aus der Biodieselherstellung sowie der Nahrungsmittelindustrie aufgekauft und verarbeitet. "Wir waren leichtfertig der irrigen Annahme, dass die Mischfettsäure, die bei der Herstellung von Biodiesel aus Palm-, Soja- und Rapsöl anfällt, für die Futtermittelherstellung geeignet ist", sagte Geschäftsführer Siegfried Sievert dem "Westfalen-Blatt".
"Es wird mit Hochdruck gearbeitet", sagte Oberstaatsanwalt Döpper auf dapd-Anfrage. Laut Augenzeugen suchte die Polizei am Dienstag das Gelände des Futtermittelherstellers in Uetersen auf. Döpper wollte sich dazu jedoch nicht äußern. In dem Dioxinskandal ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Oldenburg.
1.000 Betriebe in Niedersachsen gesperrt
Wegen des Funds von dioxinverseuchtem Tierfutter waren am Montag allein in Niedersachsen 1.000 Betriebe gesperrt worden. Betroffen sind Legehennen-, Puten- und Schweinemasthöfe. Dioxin gilt als krebserregend. Mit dem Gift verunreinigte Futter- oder Lebensmittel waren in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg gefunden worden. Im nordrhein-westfälischen Kreis Soest ordneten die Behörden die Tötung von rund 8.000 Legehennen an.
Umweltschützer haben derweil Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) aufgefordert, die Bürger besser über die Auswirkungen des Dioxin-Skandals zu informieren. Die Schließung von mehr als 1.000 Höfen sei eine richtige Vorsichtsmaßnahme, sagte Reinhild Benning, Agrarexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin". Dies dürfe aber nicht die einzige Maßnahme bleiben.
Denn beispielsweise seien im Kreis Soest 120.000 Eier, die höchstwahrscheinlich belastet seien, in den Umlauf gekommen. "Hier erwarte ich eigentlich von Agrar- und Verbraucherschutzministerin Aigner, dass sie die Verbraucher aufklärt, welche Firmen, welche Supermärkte haben diese Eier verkauft." Das gleiche gelte für Puten- und Schweinefleisch. Gefragt werden müsse auch, ob es ein "systematisches Kontrolldefizit" gebe.
Mit der Zunahme der Industrialisierung der Landwirtschaft seien auch die Lieferketten für Futtermittel enorm weit geworden, erklärte die Agrarexpertin. Im konkreten Fall habe offensichtlich ein Futtermittelbetrieb in sieben Bundesländer an Tausende von Betrieben geliefert. So würden Risiken schnell in die Breite gestreut. "Daher empfehlen wir, lieber auf lokale Futtermittel zurückzugreifen - dazu bräuchte es zahlreiche Gesetzesänderungen", erklärte Benning.
Erst im Jahr 2006 habe die Bundesregierung ein Gesetz aufgeweicht, das vorgegeben habe, dass nur derjenige Landwirt einen Stall bauen dürfe, der die Hälfte des Viehfutters von der eigenen Fläche erwerben könne. Die Streichung dieser Vorschrift sei ein Vorschub für die Massentierhaltung und die Industrialisierung der Futtermittel gewesen, kritisierte die BUND-Agrarexpertin.
Ermittlungsverfahren gegen Futtermittel-Produzenten eingeleitet
Dioxin im Eierbecher
Im Skandal um dioxinverseuchtes Tierfutter hat die Staatsanwaltschaft Itzehoe ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer und weitere Verantwortliche des Futtermittelherstellers Harles & Jentzsch eingeleitet. Umweltschützer fordern derweil weitere Informationen für die Bürger.
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