Erfurter Katholikenrat positioniert sich gegen AfD

"Wir haben AfD-Wähler in den Gemeinden"

Das kommende Wahljahr beschäftigt die Katholikinnen und Katholiken im Bistum Erfurt schon jetzt. Die AfD lag im Juli laut Umfragen bei über 30 Prozent. Der Katholikenrat des Bistums hat deshalb ein Positionspapier erarbeitet.

Der Erfurter Dom / © Borisb17 (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Es ist noch nicht lange her, da hat die AfD erstmals in Deutschland einen Landrat gestellt. Robert Sesselmann hat sich bei der Stichwahl im Kreis Sonneberg durchgesetzt. In Thüringen hält die Nähe zur AfD auch in den Kirchengemeinden Einkehr. Merken Sie etwas davon? 

Reinhard Salzmann (privat)
Reinhard Salzmann / ( privat )

Reinhard Salzmann (Vorsitzender des Katholikenrats im Bistum Erfurt): Die Kirchengemeinden spiegeln die Gesellschaft wider und in der Gesellschaft ist die Kirche. Natürlich haben wir bekennende oder nicht bekennende AfD-Wähler oder AfD-Sympathisanten auch in den Kirchengemeinden. Das steht ganz außer Frage. Aber das werden wir auch in den westdeutschen Bistümern haben.

DOMRADIO.DE: Verantwortung, Fairness und Demokratie, mit diesen drei Begriffen ist das besagte Papier überschrieben, das der Katholikenrat jetzt verfasst hat. Was wollen Sie mit dem Papier bezwecken?

Reinhard Salzmann

"Zum einen wollen wir die Leute wachrütteln. Wir haben Verantwortung als katholische Kirche, wir haben Verantwortung als Christen und wir haben auch Verantwortung als Menschen."

Salzmann: Zum einen wollen wir die Leute wachrütteln. Wir haben Verantwortung als katholische Kirche, wir haben Verantwortung als Christen und wir haben auch Verantwortung als Menschen.

In unserem Papier werben wir für Mitmenschlichkeit. Wir werben für eine offene Sprache. Wir werben für das, was für Demokratie wichtig ist, aufeinander hören und gegenseitige Toleranz.

Die Signale, die uns gesendet werden von der Gesellschaft heißen ganz klar für uns als Christen Positionen zu beziehen. Ganz viel, was wir jetzt erleben, erinnert an die Zeit vor 100 Jahren. Da hat Thüringen nicht gerade eine rühmliche Rolle gespielt.

DOMRADIO.DE: Die Wahl ist erst im September 2024. Trotzdem wollen Sie als katholische Stimme schon jetzt Position beziehen, auch entgegen der Meinung, dass die Kirche sich grundsätzlich aus dem Tagesgeschäft und der Politik raushalten soll. Warum?

Salzmann: Die Wahlen im September sind die Landtagswahlen. Davor sind aber schon Kommunalwahlen im Frühjahr. Im Spät-Frühjahr sind Europawahlen. Das heißt, die Wahlen liegen gar nicht so weit weg.

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Landrat, der von einer Partei kommt, die die Demokratie ablehnt. Wenn dem jetzt noch eine Kreistagsfraktion zugestellt wird, die die Mehrheit hat, dann wissen Sie, was da passiert.

Aus Sonneberg erfahren wir, das es bereits jetzt Positionen gibt, wo der Landrat massiv in die Tagespolitik eingreift. Das heißt, er möchte Positionen, die im Jugendhilfeausschuss durchgesetzt werden, aufweichen. Da ist es die Aufgabe der Kirche und der Christen, zu sagen: Stopp, das geht so nicht!

DOMRADIO.DE: Es ist Ihrer Meinung nach die Aufgabe von Christen und Christinnen, sich da klar zu positionieren?

Salzmann: Natürlich! Wissen Sie, vor 100 Jahren hat es eine Partei gegeben, die vom Zentrum nicht erkannt wurde. Das Zentrum hat das damals übersehen. Wir hatten am Wochenende zur Vollversammlung Dr. Andreas Püttmann aus Bonn bei uns zu Gast. Das ist sicher einer der Experten, gerade was AfD und Rechtsextremismus angeht.

Er hat uns eindeutig die Augen geöffnet und gezeigt, wohin der ganze Karren geht. Es gibt eine Aussage von Björn Höcke, der gesagt hat, Jesus sitzt zur Rechten Gottes. Hat das nicht was zu bedeuten? Da könnte ich als Christ sagen, ist das nicht Blasphemie?

DOMRADIO.DE: Sie mahnen vor allem die Sprache an. Es käme darauf an, wie wir miteinander reden. Was genau stört Sie an den öffentlichen Debatten aktuell?

Reinhard Salzmann

"Das ist Brandstiftung mit Worten."

Salzmann: Wenn ich in den öffentlichen Debatten immer nur gegen andere Hetze und andere klein mache, seien es Migranten oder Juden oder wen auch immer, ist das sehr gefährlich. Das ist Brandstiftung, das ist Brandstiftung mit Worten.

Herr Höcke hat hier in Heiligenstadt - ich komme aus dem Eichsfeld, also nicht aus Erfurt - mal gegen die Kirchen gepredigt und hat in einer Rede gesagt: der Fluss, die Leine müsste umgeleitet werden und man müsste das katholische Gymnasium fluten. Das Gymnasium liegt 30 Meter höher, da hätte er die ganze Stadt absaufen lassen müssen.

Er hat sich aufgeregt, dass die Kirchen während seiner Ansprache auf dem Marktplatz die Glocken haben läuten lassen. Das hat ihn mächtig geärgert. Da war eine Hochzeitsfeier und da haben die Glocken halt ein bisschen länger geläutet.

DOMRADIO.DE: Die Kirche wird aktiv von der AfD angegriffen, sagen Sie. Als wichtiges Gremium geben Sie auch den Bischöfen ein Zeichen. Hat das Auswirkungen auf die anderen Ebenen?

Salzmann: Das hoffe ich! Wir haben ganz bewusst dieses Positionspapier gesetzt und ich möchte daran erinnern, wir haben es mit fast 80 Prozent Zustimmung durch den Rat gebracht. Es hat auch Gegenstimmen gegeben und zwei bis drei Enthaltungen. Das ist aber schon ein massives Zeichen. Ich wünsche mir, dass wir ganz klar Flagge zeigen, dass wir Position beziehen und Ross und Reiter nennen.

DOMRADIO.DE: Beunruhigen Sie denn die 20 Prozent, die dagegen waren oder sich enthalten haben?

Reinhard Salzmann

"Wir haben im Positionspapier nicht gesagt, dass wir uns nicht mit AfD-Wählern auseinandersetzen wollen. Wir sind aber nicht dafür da, dass die katholische Kirche das Mikrofon hinhält für Hass und Hetze."

Salzmann: Nun, das ist ungefähr auch der Spiegel der Gesellschaft. So sieht es in der Gesellschaft aus. Wenn die sich nicht vermehren, muss man damit wohl leben. Wir haben im Positionspapier nicht gesagt, dass wir uns nicht mit AfD-Wählern auseinandersetzen wollen. Wir sind aber nicht dafür da, dass die katholische Kirche das Mikrofon hinhält für Hass und Hetze. 

Das Interview führte Michelle Olion.

Bistum Erfurt

Erfurter Dom / © mije_shots (shutterstock)

Das katholische Bistum Erfurt erstreckt sich über den größten Teil Thüringens. Stark katholisch geprägt ist nur das Eichsfeld im Nordwesten des Landes. Der heilige Bonifatius gründete im Jahre 742 ein erstes Bistum Erfurt, das nur wenige Jahre bestand. Danach kam das Gebiet für mehr als ein Jahrtausend zum Erzbistum Mainz. Nach 1930 gehörte es zu den Diözesen Fulda und Würzburg, deren Bischöfe durch die deutsche Teilung ihre Amtsvollmachten jedoch immer weniger ausüben konnten.

Quelle:
DR