Erfurt eröffnet Museum in einer der ältesten Synagogen Europas

Schatzkammer jüdischer Kultur

Das an mittelalterlichen Bauten reiche Erfurt kann nun mit einer weiteren Rarität aufwarten. Ab Dienstag verwandelt sich im Zentrum von Thüringens Landeshauptstadt der älteste bis zum Dach erhaltene Synagogenbau Mitteleuropas in ein Museum. Es präsentiert außer mittelalterlichen Gold- und Silberarbeiten weitere wertvolle Zeugnisse jüdischer Kultur und einen Einblick in die wechselvolle Geschichte des ehemaligen Gotteshauses.

Autor/in:
Christoph Sterz
 (DR)

Von dem Gebäude waren bis Ende der 1990er Jahre von der Straße aus nur zwei Giebel zu erkennen. Erst nach dem Abriss angrenzender Häuser zeigten sich Spuren der unterschiedlichsten Nutzungen, die das Bauwerk in den vergangenen Jahrhunderten durchlaufen hat. Die Historiker fanden heraus, dass der Grundstein bereits um 1100 gelegt wurde.

Zweieinhalb Jahrhunderte diente das Gebäude als Gotteshaus der jüdischen Gemeinde, bis diese am 21. März 1349 bei einem Pogrom ausgelöscht wurde. Nach Schätzungen starben an diesem Tag etwa 900 Menschen. Wie zur Besiegelung der Vernichtungsaktion wurde die Synagoge dann an einen Händler verkauft. 500 Jahre lang war das Gebäude ein Speicher, bevor im 19. Jahrhunderts dort eine Gaststätte und ein Tanzsaal untergebracht wurden.

Vom ursprünglichen Synagogenraum blieb angesichts dieser Umnutzungen kaum etwas erhalten. Der Umbau zum Museum macht die frühere religiöse Nutzung nun wieder deutlich. So legten die Restauratoren unter anderem den Fußboden der ersten Bauphase wieder frei. Wie die Synagoge bis zum Pogrom vermutlich aussah und wirkte, verdeutlicht zudem eine Projektion an die Decke des Erdgeschosses.

Im Keller der Alten Synagoge haben besonders wertvolle Exponate ihren Platz gefunden: Es ist der «Erfurter Schatz», der erst 1998 bei Ausgrabungen im früheren jüdischen Viertel der Stadt gefunden wurde. Er umfasst 3.142 französische Münzen und 14 Barren aus Silber sowie über 600 Goldschmiedearbeiten aus der Zeit um das Jahr 1300.
Möglicherweise hatte ein jüdischer Kaufmann den Schatz anlässlich des Pogroms von 1349 verborgen.

Unter den Pretiosen ragt ein Hochzeitsring aus reinem Gold heraus, wie er nur während der Zeremonie der Eheschließung getragen wurde.
An der Unterseite zieren ihn zwei ineinander greifende Hände als Symbol der Verbundenheit und Treue. Europaweit sind bisher nur zwei weitere solcher Ringe aus dieser Epoche bekannt.

Weitere bedeutende Zeugnisse der jüdischen Gemeinde befinden sich im Obergeschoss. Dort ist unter anderem der Erfurter Judeneid zu sehen, der vor dem Jahr 1200 verfasst wurde. Damit ist er das älteste Dokument, das die jüdische Gemeinde der Stadt an der Gera erwähnt.
Zugleich ist es der älteste erhaltene Judeneid in deutscher Sprache.
Einen solchen Schwur mussten Juden bis ins 19. Jahrhundert bei Rechtsstreitigkeiten mit Nichtjuden leisten.

Zu betrachten sind zudem viele weitere bedeutende jüdische Schriftzeugnisse. Darunter befindet sich die größte Bibelhandschrift in hebräischer Sprache, die 1343 abgeschlossene, zweibändige «Erfurt I». Jeder Teil von ihr wiegt allein fast 50 Kilogramm, für die Herstellung des Pergaments wurde die Haut von mehr als 1.100 Tieren benötigt. Heute befindet sich das monumentale Werk in der Berliner Staatsbibliothek. Die Handschriften werden zeitweise im Original und sonst als Faksimile gezeigt.

Hinweis: Das Museum ist ab dem 27. Oktober täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.