Entwicklungshelfer zunehmend in Lebensgefahr

Kein Respekt vor humanitären Prinzipien

Nach der Ermordung zweier Journalisten macht die Terrormiliz IS nun auch vor Entwicklungshelfern nicht Halt. Martin Keßler, Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, zeigt sich im Interview schockiert über die jüngste Tat.

Humanitäre Hilfe in Krisengebieten wie Syrien (KNA)
Humanitäre Hilfe in Krisengebieten wie Syrien / ( KNA )

Am vergangenen Samstag wurde ein weiteres Video von der Terrormiliz Islamischer Staat veröffentlicht, darin war die Enthauptung des britischen Entwicklungshelfers David Haines zu sehen. Er war Mitarbeiter der Organisation Acted, sowie seit Jahren für unterschiedliche Hilfsorganisationen aktiv. Seine Arbeit führten ihn unter anderem nach Kroatien, in den Südsudan und nach Syrien. Dort wurde David Haines im März 2013 nahe der türkischen Grenze entführt.    

domradio.de: Was geht denn Ihnen als Chef dieses großen Hilfswerks Diakonie Katastrophenhilfe durch den Kopf, wenn sie die Nachricht von der Enthauptung des britischen Entwicklungshelfers David Haines hören?

Martin Keßler (Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe): Grundsätzlich sind wir schockiert. Es ist ein Mensch ums Leben gekommen in einem Kontext, indem auch wir manchmal Menschen haben. Wir verschicken manchmal auch Leute aus Europa in diese Länder, jetzt nicht Irak oder Syrien, aber in militärische Kontexte. Es ist immer wieder schockierend. Glücklicherweise waren wir davon nicht so betroffen.

domradio.de: Wie verhindern Sie denn als Diakonie Katastrophenhilfe, dass es zu ähnlichen Fällen bei ihnen kommt, wenn sie Leute ins Ausland schicken?

Keßler: Zuallererst muss ich vielleicht sagen, wir implementieren humanitäre Hilfe über lokale Partnerorganisationen, das heißt, wir kommen mit relativ wenig Personal aus, das wir entsenden müssen. Es sind immer die lokalen Menschen vor Ort, die dort die Hilfe leisten. Nichts desto trotz sind die auch gefährdet, und unsere Gedanken sind natürlich auch bei denen. Aber dadurch reduzieren wir so ein bisschen das Risiko. Nicht, dass wir das Risiko auslagern wollen auf die Partner. Unser Prinzip ist, dass wir humanitäre Hilfe mit Partnern implementieren.

domradio.de: Wie schulen Sie denn die Mitarbeiter, die sie tatsächlich dann ins Ausland schicken? Also diese Einzelfälle, die bei ihnen hin und wieder vorkommen?

Keßler: Die Menschen, die von uns verschickt werden, kriegen in der Zentrale erst mal ein ausführliches Briefing und werden auf die Situation hin erstmal geschult. Also die müssen zum einen erstmal den Kontext verstehen lernen, und dann werden ihnen spezielle Sicherheitspläne erläutert, die eben für diese Länder, in die sie gehen müssen, gelten. Dann haben wir auch eine umfangreiche Sicherheitsstruktur. Also die reicht vom Headquarter hier bis ins Feld, in die einzelnen Büros, wo lokale Sicherheitspläne existieren, und die Menschen müssen sich eben an diese Pläne sklavisch halten. Wir beobachten das von hier aus. Also wir haben hier extra einen Mitarbeiter, der sich um die Sicherheit kümmert.

domradio.de: Ist denn die Situation im Irak und in Syrien ein Sonderfall für Hilfswerke?

Keßler: Wir verschicken Menschen auch in andere Länder, zum Beispiel in den Südsudan oder auch in die Zentralafrikanische Republik. Da ist es auch gefährlich, also da gibt es auch Bürgerkriegssituationen in denen Menschen in Gefahr kommen. Prinzipiell ist natürlich die Gefahr, was wir jetzt auch mit der IS erleben, dass gezielt Hilfsorganisationen angegriffen werden, entweder zum Kidnappen, zum Geld erpressen oder auch zum Kidnappen um politische Ziele durchzusetzen. Das ist sicherlich eine Dimension, die zunimmt. Das gab es aber auch schon in Somalia.

domradio.de: Das heißt, sie sagen mit anderen Worten, dass die Gefährdungssituation zunimmt. Das heißt dieses Tabu, dass man Mitarbeiter von Hilfswerken mit in Kampfhandlungen einbezieht, ist zunehmend nicht mehr da?

Keßler: Ich würde sagen, es ist ein Nicht-Respektieren der humanitären Prinzipien. Ich meine, wir sind als Hilfswerke den humanitären Prinzipien verschrieben: Unabhängigkeit, Neutralität und Unparteiigkeit. Diesen Prinzipien sind wir verschrieben. Wir beobachten zunehmend, dass sich Kriege nicht mehr zwischen Staaten abspielen sondern eben asymmetrische Kriegsführung stattfindet. Das heißt unkontrollierbare Milizen durch die Länder gehen, und dass sich das Kriegsgeschehen dann auf diese Länder verteilt. Dass diese Gruppen nicht immer die humanitären Prinzipien beachten, das ist sicher zu beachten, und stimmt uns natürlich mit Sorge.

domradio.de: Reagieren Sie da auf irgendeine Art und Weise auf diese Verschärfung der Situation?

Keßler: Nun gut, ich kann dann nicht riskieren Menschen in diese Länder zu schicken. Wir versenden keine Mitarbeiter nach Syrien beispielsweise oder wir versenden keine Mitarbeiter in den Irak, in den Nordirak ja, wo es sicher ist. Nach Somalia schicken wir keine Mitarbeiter, außer nach Mogadischu und auch nur nach gründlicher Prüfung, und nur ausschließlich Mogadischu. Das heißt in die Länder, die kontrolliert werden von diesen Milizen, können wir zurzeit keine Menschen schicken. Nichts desto trotz arbeiten eben Partnerorganisationen für uns vor Ort.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Zerstörung und Krisen in der Zentralafrikanischen Republik  (KNA)
Zerstörung und Krisen in der Zentralafrikanischen Republik / ( KNA )
Quelle:
DR

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