Entsetzen nach Messerattacke auf Altenas Bürgermeister

"Flut von Anteilnahme"

Der Bürgermeister der nordrhein-westfälischen Stadt Altena, Andreas Hollstein, ist einer Messerattacke leicht verletzt entkommen. In seiner Heimatstadt herrscht ob der Tat Entsetzen. Doch nicht nur dort, wie der Kreiskatholikenrat berichtet.

Absperrband der Polizei / © Bodo Marks (dpa)
Absperrband der Polizei / © Bodo Marks ( dpa )

domradio.de: Mit einem Pflaster am Hals gab der Bürgermeister der Stadt Altena, Andreas Hollstein, eine Pressekonferenz und dankte dem Imbissbudenbesitzer und seinem Sohn. Ohne deren beherztes Eingreifen, so der CDU Politiker, wäre er vielleicht nicht mehr am Leben. Ein alkoholisierter Mann hat Andreas Hollstein in einem Restaurant mit einem Messer verletzt. Grund für die Feindseligkeit des 56 jährigen: die Flüchtlingspolitik, für die der Bürgermeister steht und eintritt. Hollstein kam leicht verletzt ins Krankenhaus, aus dem er am gleichen Abend wieder entlassen werden konnte. Wie geht es Ihrem Chef?

Stefan Kemper (Vorstandsmitglied des Kreiskatholikenrates, Stadtkämmerer und Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters in Altena): Äußerlich wirkte er gelassen und ruhig, das konnte man bei der Pressekonferenz sehen. Wie es in einem Menschen innen drin aussieht, das wird man vielleicht in ein paar Tagen erst sehen. Im Vordergrund aber steht die Erleichterung, dass der Angriff gestern Abend relativ glimpflich ausging.

domradio.de: In Sachen Flüchtlingsengagement wurde Ihre Stadt im Mai noch mit dem nationalen Integrationspreis ausgezeichnet. Herr Hollstein hat gesagt, seine Frau habe ihn vor solch einem Szenario, einem solchen Angriff vorab gewarnt, denn es habe in der Vergangenheit schon Drohungen gegeben. In welcher Form?

Kemper: Es gibt immer wieder Drohungen, die ein Bürgermeister bekommt. Das hat nicht nur mit Flüchtlingsengagement zu tun. Aber bei uns spiegelt sich das punktuell in der Flüchtlingsfrage wieder. Das können E-Mails oder Telefonate sein und auch das direkte Gespräch - nicht nur an der Theke, sondern auch in der Stadt, wo man mal angesprochen wird. Da geht das eine oder andere Wort hin und her. Das ist durchaus nichts Ungewöhnliches. Und manchmal geht das dann deutlich über das Ziel einer normalen, zwischenmenschlichen Diskussion hinaus und wird mitunter etwas heftiger. Solche Drohungen hat es wohl auch in der Vergangenheit immer mal gegeben. Aber nicht so, dass ich es gegenüber anderen Bürgermeistern besonders auffällig fände. Das ist leider mittlerweile so. Wo man in der Politik aktiv ist, da wird man das eine oder andere Mal hart angegangen - auch in einem kleinen Städtchen wie Altena.

domradio.de: Haben Sie als Stadt damit gerechnet, dass es zu so etwas kommen könnte? Bereiteten Sie sich darauf irgendwie vor?

Kemper: Nein. Das wäre auch völlig fatal, wenn sich jeder Bürgermeister in einer kleinen oder mittleren Stadt darauf vorbereiten würde. Wenn man angegangen wird, hat man ein waches Auge. Aber das ist jetzt nicht so, dass hier Polizeischutz angeraten wäre. Das wäre übers Ziel hinausgeschossen, denn wir leben ja auch davon, dass wir den täglichen Kontakt mit den Bürgern haben. Wenn das nicht mehr  möglich wäre, wäre das völlig fatal. Und wir könnten an der Basis nicht mehr als Verwaltung und als Politik tätig sein. Alles andere würde im kommunalen Leben nicht funktionieren.

domradio.de: Der mutmaßliche Täter fühlte sich von der Flüchtlingspolitik abgehängt, rief sinngemäß : "Ihr lasst mich verdursten und holt stattdessen Flüchtlinge in die Stadt". Muss man versuchen, solche Menschen mehr zu integrieren, als Stadtgemeinschaft mehr auf sie zugehen?

Kemper: Im Täterprofil sind, soweit ich das aus der staatsanwaltschaftlichen Pressekonferenz wahrgenommen habe, verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. Alkohol könnte ein Aspekt sein, psychische Erkrankung, prekäre Verhältnisse - natürlich kümmern wir uns in der Stadtgesellschaft und auch als Kirche um Menschen, die am Rande stehen, benachteiligt und abgehängt sind. Das ist unser tägliches Geschäft, und das werden wir auch weiterhin machen. Das hat auch mit der Flüchtlingsarbeit nichts zu tun. 

domradio.de: Sie sind nicht nur in der Stadtverwaltung tätig, sondern auch aktives Mitglied der katholischen Kirche. Wie reagiert die auf den Vorfall?

Kemper: Wir können, ehrlich gesagt, heute die vielen Nachrichten und Mails gar nicht so kanalisieren. Wir bekommen Mails aus der Stadtgesellschaft  heraus - vom Sportverein über Schützenverein bis hin zu einzelnen Bürgern, die sich hier melden aber auch darüber hinaus. Wir sind an so einem Tag in so kurzer Zeit noch nie mit so vielen Nachrichten geflutet worden. Ich kann noch gar nicht genau sagen, wer von kirchlicher Seite schon reagiert hat oder noch reagieren wird. Das wird man im Laufe der nächsten Stunden und Tage noch sehen. 

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Andreas Hollstein, Bürgermeister von Altena / © Oliver Berg (dpa)
Andreas Hollstein, Bürgermeister von Altena / © Oliver Berg ( dpa )
Quelle:
DR