Nehmen hat seine Zeit. Geben hat seine Zeit.

Engelmafia reloaded

"Ich schäme mich", sagt Basima, als ihre Gastgeberin ihr an ihrem neuen Studienort nicht nur kostenlos ein Zimmer zur Verfügung stellt, sondern sie wie eine Tochter willkommen heißt.

 (DR)

Erst vor kurzem habe ich an dieser Stelle über Basima und ihre syrische Flüchtlingsfamilie geschrieben. Und beschrieben, dass um diese Familie herum etwas entstanden ist, das ich "die Engelmafia" genannt habe. Gemeint habe ich damit die so macht- wie geheimnisvolle Kraft, die entsteht, wenn viele Menschen ihr Bestes geben.

In diesem Fall helfen viele Menschen aus unserem Dorf mit, dass die syrische Familie Fuß fassen kann. Mit Zeit und Geld. Mit Erfahrung und Wissen. Mit Zuwendung und Zuneigung.  Ich beobachte einen "Engelskreis", der das Gegenteil von einem Teufelskreis ist: die Menschen inspirieren sich, sehen, wie wenig, wie segensreich wirkt. Lassen sich anstecken. Wenn jeder sein Bestes gibt - kann tatsächlich das Bestmögliche geschehen.

In diesem Fall geschieht das Bestmögliche. Soviel Güte beschämt Basima. Das kann ich verstehen. Und schreibe ihr diese wahre Geschichte.

Die ich, nachdem die Geschichte der Engelmafia ausgestrahlt wurde, zusammen mit 100€ für Basimas Familie, in einem langen Brief in unserem Briefkasten fand.

Geld und Brief sind von einer sehr engagierten Dame, nennen wir sie hier Frau Hilfreich, die im Brief eine eigene Engelmafiageschichte erzählt. Ehrenamtlich betreut Frau Hilfreich eine junge Familie mit Zwillingen. Beide Eltern arbeiten, finden aber keine Wohnung. Im Nachbarort werden soziale Wohnungen gebaut, die Familie weiß, dass sie alleine keine Chance hat und bittet deswegen Frau Hilfreich um Unterstützung.

Frau Hilfreich ist, ich kenne sie, so charmant, wie hartnäckig. Die ist Zeit knapp, Frau Hilfreich steht am nächsten Morgen um 8 Uhr mit ausgefüllten Anträgen und dem Vater der Zwillinge im Amt. Die Familie bekommt die Wohnung.

Dem Entscheider ist es wichtig, zu sagen warum: seine Frau kam vor Jahrzehnten selbst aus Osteuropa und strandete in einer Turnhalle: Nur durch  Ehrenamtler fasste sie Fuß. Das hier sei ihre Chance sich zu revanchieren. 

Ich staune. Denn meine Antwort an Basima lautete: "Schäm Dich nicht. Jetzt brauchst Du die Hilfe, freu Dich und nimm sie einfach an. Schämen kannst du dich, wenn du später bei Not wegschaust, obwohl du helfen könntest.“

Alles hat eben seine Zeit. Sich von der Engelmafia helfen lassen hat seine Zeit. Selbst zur Engelmafia gehören auch.