Eine Reise zu den Bahnhöfen der Welt

Endstation Fernweh

Der Papst hat einen kleinen. Donald Trump hätte sicher gern einen ganz großen, zieht aber gegenüber der Hoteldynastie Hilton den Kürzeren. Wer jetzt nur Bahnhof versteht, sollte unbedingt weiterlesen.

Autor/in:
Joachim Heinz
Dampflokomotive im vatikanischen Bahnhof / © Romano Siciliani (KNA)
Dampflokomotive im vatikanischen Bahnhof / © Romano Siciliani ( KNA )

"Kathedralen der industriellen Revolution" - das waren Bahnhöfe in den Augen des britischen Schriftstellers Gilbert Keith Chesterton (1874-1936). Und es stimmt ja: Manche Anlagen erinnern tatsächlich an Sakralbauten. So wie die 75 Meter hohe Kuppel des belgischen Bahnhofs Antwerpen, für die sich Architekt Louis de la Censerie (1838-1909) unter anderem vom Pantheon in Rom inspirieren ließ.

Bahnhof direkt am Dom

Im algerischen Oran zeichnete der Franzose Albert Ballu (1849-1939) verantwortlich für den dortigen Haltepunkt. In der damaligen französischen Kolonialmetropole entwarf Ballu auch die Sacre-Coeur-Kathedrale - Baustoff war in beiden Fällen der damals hochmoderne Stahlbeton. In Porto dagegen musste vor über 100 Jahren ein ganzes Kloster dem aufstrebenden Verkehrsmittel weichen. Nur noch der Name der portugiesischen Station, "Sao Bento", erinnert an die monastische Vergangenheit.

In Köln dagegen führt die Trasse direkt am Wahrzeichen der Stadt, dem Dom, vorbei. Ein beeindruckendes Panorama, das täglich etwa 318.000 Reisende bestaunten - vor der Corona-Pandemie. Im Vatikan dagegen herrscht seit jeher kein Gedrängel an den Gleisen. Seit 1934 verfügen die Päpste über einen eigenen Bahnhof. Aber nutzen tun sie ihn kaum. Und von Fahrplänen im Minutentakt ist man meilenweit entfernt. Im Jahr 2011 machte ein dampflokgetriebener "Caritas-Express" am "kürzesten Bahnhof der Welt" Station, um das 60-jährige Bestehen des Hilfswerks Caritas Internationalis zu feiern.

Bahnhöfe auf der Welt

An mehr oder weniger gesicherten Superlativen herrscht im weltweiten Netz der Bahnhöfe kein Mangel. Die höchstgelegene Station: Tanggula in dem zu China gehörenden Autonomen Gebiet Tibet auf 5.068 Metern. Mit 2.900 Zügen täglich gehört Zürich zu den meistfrequentierten Bahnhöfen Europas. Eines der teuersten und umstrittensten Projekte der Moderne nimmt derzeit in Stuttgart Gestalt an: Der Hauptbahnhof wird tiefer gelegt - während die Baukosten stetig in die Höhe steigen.

Da möchte man lieber schnell das Weite suchen: Eine besonders abwechslungsreiche Fahrt steht Passagieren bevor, die in Fianarantsoa auf Madagaskar in den Zug klettern. Die 162 Kilometer lange Trasse führt über 67 Brücken sowie die Start- und Landebahn eines Flugplatzes nach Manakara. Innere Einkehr dagegen verspricht der "Train du desert". Der "Wüstenzug" verkehrt auf Mauretaniens einziger Bahnstrecke. "Zugestiegen wird an Bahnhöfen ohne Gebäude", vermerkt Martin Weltner in dem kürzlich erschienenen Bildband "Bahnhöfe der Welt".

Diskret geht es ausgerechnet an einem der größten Kopfbahnhöfe der Welt zu. In New Yorks Grand Central Station gibt es einen eigenen Bahnsteig für das Waldorf-Astoria-Hotel. Die mondäne Luxusherberge gehört heute zum Hilton-Konzern.

Vom Reisen zum Pilgern

Ein Kapitel für sich ist das Thema Bahnhof und Bücher. Beispiele dafür finden sich vor allem in Großbritannien, dem Mutterland der Eisenbahn. So wählte Agatha Christie (1890-1976) als Titel einer ihrer Miss-Marple-Romane "16.50 Uhr ab Paddington". Ein anderer Bahnhof in London zieht unterdessen Harry-Potter-Fans geradezu magisch an. Von der Station King's Cross lässt Autorin Joanne K. Rowling den imaginären Hogwarts-Express abfahren, der den Zauberlehrling in das gleichnamige Internat transportiert.

Einen ganz eigenen Charme entfalten schließlich "Geisterstationen", aufgelassene Bahnhöfe, die sich an stillgelegten Strecken erhalten haben. Nicht selten führen inzwischen Radwege über die einstigen Trassen so wie im Fall der Dolomitenbahn in Italien. In Ospitale d'Ampezzo gelangen Tourenradler auf diese Weise zu einem der ältesten Gasthäuser Europas samt der dazugehörigen Kirche Sankt Nikolaus.

Eine "Kathedrale" wird man den dazugehörigen Haltepunkt kaum nennen können. Aber manchmal ist der Weg vom (Bahn-)Reisen zum Pilgern gar nicht mal so weit. Am römischen Hauptbahnhof Termini schaut jedenfalls ein überlebensgroßer Papst Johannes Paul II. auf das quirlige Treiben zu seinen Füßen.


Kölner Dom bei Nacht / © Claudio Römer (KNA)
Kölner Dom bei Nacht / © Claudio Römer ( KNA )

Zug fährt in Hauptbahnhof von Frankfurt am Main ein / © Harald Oppitz (KNA)
Zug fährt in Hauptbahnhof von Frankfurt am Main ein / © Harald Oppitz ( KNA )

Zug im Vatikan / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Zug im Vatikan / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA