EKD-Ratsvorsitzende Käßmann in den Querelen der Politik gefangen

Afghanistan-Debatte geht weiter

Die Debatte um die Kritik der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr hält an. Bayerns früherer Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Ich selbst habe mich schon ein Stück weit an den konkreten Aussagen der Bischöfin zur Afghanistan-Politik gestoßen". Evangelische Bischöfe und die SPD stärken Käßmann den Rücken.

 (DR)

Die evangelischen Landesbischöfe Johannes Friedrich (Bayern) und Jochen Bohl (Sachsen) verteidigten Käßmann mit einem Verweis auf die christliche Friedensethik. Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles stellte sich hinter die hannoversche Landesbischöfin.

Beckstein, der Vizepräses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, sagte: «Man muss sich vergegenwärtigen, dass das Amt einer Bischöfin nicht das Amt eines Verteidigungsministers ist.» Eine Bischöfin müsse sicherstellen, dass ihr Amt nicht unter der politischen Einmischung leidet. Die Kirchen hätten aber durchaus auch eine politische Aufgabe. Sie müssten sich einmischen und politische Stellungnahmen abgeben. Die Grenze sei allerdings erreicht, wenn es um «reine Tagespolitik» gehe.

SPD-Generalsekretärin Nahles erklärte am Donnerstag in Berlin, Bischöfin Käßmanns Rede sei ein legitimer Beitrag zur Afghanistan-Debatte gewesen. «Sie hat nur ausgesprochen, was viele in Deutschland denken. Wir müssen aufhören, Tabus zu errichten, sondern offen in unserem Land über die unterschiedlichen Sichtweisen des Afghanistan-Einsatzes reden.» Wer, wenn nicht die Kirchen, hätten das Recht und die Pflicht mehr «Fantasie für den Frieden» zu fordern?
Nahles: «Realpolitiker haben wir genug.»

Auch Sachsens evangelischer Landesbischof Jochen Bohl unterstützte die Position Käßmanns. Der Bischof forderte klare Ziele für die Bundeswehr, lehnte aber einen kurzfristigen Abzug ab. Er unterstütze die Mahnung Käßmanns, dass Waffengewalt allein weder Recht noch Frieden schaffen könne, erklärte Bohl in Dresden. Ein schneller Abzug, wie ihn etwa die Linkspartei verlange, würde aber die Gefahr einer erneuten Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban heraufbeschwören.

Die Debatte um den Afghanistan-Einsatz war durch die Neujahrspredigt Käßmanns in der Dresdner Frauenkirche neu entfacht worden. Käßmann hatte gesagt, in Afghanistan schafften Waffen «offensichtlich auch keinen Frieden». Dagegen gab es bei Regierung und Opposition zum Teil scharfen Widerspruch. Käßmann erklärte daraufhin, sie habe nie den sofortigen Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan verlangt. Am Montag will sie sich mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) treffen.

Der bayerische Landesbischof Friedrich sagte, nach dem Verständnis der Kirche und der christlichen Friedensethik müsse der Einsatz von Gewalt immer das «äußerste Mittel» bleiben. Käßmann habe zu Recht betont, dass zuerst alle Möglichkeiten einer friedlichen Konfliktbewältigung ausgeschöpft werden müssten, bevor militärische Gewalt angewendet werde.

Für den Aufbau des Landes sollte statt in militärische Aktionen in Bildung investiert werden, sagte Friedrich, der auch Leitender Bischof des Kirchenbundes Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) ist. Die Bekämpfung der Taliban sei jedoch ohne militärische Gewalt nicht möglich. Dadurch werde wiederum «Gegengewalt» erzeugt.

Laut einer Umfrage für den aktuellen ARD-DeutschlandTrend sprechen sich mehr Deutsche als je zuvor für einen schnellen Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan aus. 71 Prozent der 1.000 Befragten sind dafür, dass sich die Bundeswehr möglichst schnell aus dem Land zurückzieht. Das sind zwei Prozent mehr als im Vormonat. Nur
26 Prozent sind der Meinung, die Bundeswehr solle weiterhin in Afghanistan bleiben, ergab die Erhebung von Infratest dimap im Auftrag der ARD-«Tagesthemen».