EKD-Finanzchef lehnt Schuldenmachen nachdrücklich ab

Deutlich mehr Austritte

Im vergangenen Jahr haben deutlich mehr Protestanten die evangelische Kirche verlassen als in den Vorjahren. 2008 habe es rund 160.000 Austritte gegeben, sagte der Finanzchef der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thomas Begrich, am Dienstag bei der EKD-Synode in Ulm. Das waren rund 30.000 mehr als 2007. Für die Jahre 2009 und 2010 rechnet die evangelische Kirche auch mit deutlich geringeren Einnahmen bei der Kirchensteuer.

 (DR)

Der Vorsitzende des EKD-Finanzbeirates, Klaus Winterhoff, sagte, infolge der Wirtschaftskrise und steuerlicher Änderungen werde für 2009 mit von einem Minus von durchschnittlich fünf Prozent ausgegangen. Für das nächste Jahr sei ein noch größerer Rückgang zu befürchten. Allein die Ausfälle durch die Wiedereinführung der Pendlerpauschale und die steuerliche Abzugsfähigkeit bei den Vorsorgeaufwendungen dürften sich auf rund eine halbe Milliarde Euro für beide Jahre belaufen. Regional sei der Rückgang sehr unterschiedlich. Während ländliche Gebiete relativ glimpflich davon kämen, sei vor allem in industriellen Zentren mit starken Einbußen bei der Kirchensteuer zu rechnen. Noch nicht abzuschätzen seien die Auswirkungen der von Schwarz-Gelb geplanten Steuersenkungen.

Die EKD-Finanzchef Begrich äußerte sich etwas optimistischer zur Finanzentwicklung. Die Rückgänge bewegten sich im Rahmen der kirchlichen Finanzplanungen, sagte er. Begrich erinnerte allerdings daran, dass es Konflikte zwischen den Zielen Zukunftsinvestitionen, Schuldenabbau und allgemeine Steuersenkungen gebe. Schuldenmachen sei nicht Sache der Kirche, sagte Begrich über die kirchliche
Haushaltspolitik: «Wir können das nicht, wir tun das nicht, und wir werden das künftig nicht tun.»

Zur aktuellen Mitgliederstatistik sagte Begrich: «Jeder Austritt ist einer zu viel und ein Problem.» Deshalb sei die Fortführung des kirchlichen Reformkurses umso wichtiger. Der EKD-Finanzexperte wies darauf hin, dass sich die aktuellen Austrittszahlen etwa auf der Hälfte des Niveaus der 1990er Jahre bewegten. Den Anstieg der Kirchenaustritte vor allem im vierten Quartal 2008 führte er zurück auf die Einführung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge. Da die Banken die Kirchensteuer auf die Gewinne direkt abführen konnten, sei bei vielen Menschen das Missverständnis entstanden, es handele sich um eine neue Steuer. Das habe zu viel Verunsicherung geführt.
Auch Katholiken betroffen
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz hatte im September mitgeteilt, dass 2008 mehr als 120.000 Mitglieder aus der katholischen Kirche ausgetreten seien. Im Jahr davor verließen 93.000 Katholiken ihre Kirche. Im Blick auf die langfristige Mitgliederentwicklung sagte Begrich, von der Überalterung der Gesellschaft sei vor allem der evangelische Bevölkerungsteil speziell in den ostdeutschen Bundesländern betroffen. Austritte und das Herausdrängen aus der Kirche vor 30 Jahren in der ehemaligen DDR hätten heute Folgen. Das zeige, wie notwendig es sei, das Thema Mission anzugehen.

Der Vizepräses der EKD-Synode, Günther Beckstein, ergänzte:
«Deutschland muss wieder Missionsgebiet sein.» Dabei gehe es vor allem darum, kirchendistanzierte Menschen anzusprechen. Ende 2007 gehörten 24,8 Millionen Protestanten der Evangelischen Kirche in Deutschland an.