Vor 75 Jahren starb Kardinal Adolf Bertram

"Einsam wie ein Alpengipfel"

Brauner Kardinal oder die Seele Schlesiens? Der Fürsterzbischof von Breslau durchlebte das Kaiserreich, die Weimarer Republik und das Dritte Reich. In jedem System diente er treu Kirche und Staat.

Autor/in:
Von Christiane Laudage
Kardinal Adolf Bertram (1859–1945) / © KNA (DBK)
Kardinal Adolf Bertram (1859–1945) / © KNA ( DBK )

Kardinal Adolf Bertram war als Erzbischof der größten deutschen Diözese Breslau und Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz zwischen 1920 und 1945 eine der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts. Allerdings nicht unumstritten: Gerade auch innerkirchlich wurde ihm sein Verhalten als Vorsitzender der Bischofskonferenz während des Dritten Reiches zum Vorwurf gemacht, andere hingegen sahen in ihm zuerst die "Seele Schlesiens" und den guten Seelsorger.

"Im Gedenken an den Führer"

Der letzte Breslauer Fürsterzbischof starb vor 75 Jahren, am 6. Juli 1945 auf Schloss Johannesberg bei Jauernig (Schlesien). Seine Bischofsstadt hatte er schon im Januar kriegsbedingt verlassen müssen. Ob er am Ende des Zweiten Weltkriegs tatsächlich eine Anweisung an seine Geistlichen herausgab, "ein feierliches Requiem zu halten im Gedenken an den 'Führer'", wird neuerdings in der historischen Forschung hinterfragt, doch kein Zweifel besteht daran, dass der Kardinal das Dritte Reich bis zum Schluss unterstützte.

Der Kardinal stammte aus Hildesheim, wo er am 14. März 1859 geboren wurde. Nach Studien in Würzburg, München, Innsbruck und Rom und der Promotion im Kirchenrecht übernahm er zunächst verschiedene Aufgaben im Hildesheimer Generalvikariat und wurde 1906 zum Bischof ernannt.

Konflikt zwischen Staat und Kirche

Gezeichnet vom Trauma des Kulturkampfs (1871-1877) hatte er in Hildesheim gelernt, wie man solche Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche am besten löst: Die Kirche musste alles versuchen, den Konflikt nicht weiter anzuheizen und das gute Einvernehmen wieder herzustellen.

In seinem ersten Hirtenbrief als Bischof von Hildesheim beschrieb er sein bischöfliches Selbstverständnis: Es solle "ein einträchtiges Band ... zwischen kirchlicher und staatlicher Autorität herrschen", weil "Zwietracht unter diesen beiden Autoritäten keiner von beidem zum Nutzen gereiche". In einem harmonischen Verhältnis von Kirche und Staat sah er die "Grundlage der christlichen Weltanschauung".

Gottgegebene Obrigkeit

Bertram betrachtete jede Obrigkeit als gottgegeben, deshalb unterstützte er die Weimarer Republik und repräsentierte damit eine Minderheit unter den Bischöfen, sagt der Münsteraner Historiker Sascha Hinkel. Allerdings, so Hinkel, bot er später auch dem Dritten Reich seine Mitarbeit an wie dann aber die Mehrheit der Bischöfe.

Nach dem Tod des Breslauer Fürstbischofs, Kardinal Georg Kopp, wurde Bertram 1914 zu dessen Nachfolger in dem mit über vier Millionen Katholiken größten deutschen Bistum gewählt. Der Wechsel nach Breslau bedeutete für den harmoniebedürftigen Bertram eine große Herausforderung, weil er weder die schlesische Mentalität kannte noch über polnische Sprachkenntniss verfügte.

"Von nicht leichtem Charakter"

Als "von nicht leichtem Charakter, autoritär und empfindlich" beschrieb ihn der damalige Nuntius Eugenio Pacelli (später Pius XII.). Ferdinand Piontek, einer der engsten Mitarbeiter des Kardinals in Breslau, meinte, er wäre "einsam wie ein Alpengipfel" gewesen. Sobald er jedoch das Auto bestieg und auf Firmreisen ging, konnte er völlig gelöst Geschichten erzählen und gesellig sein, so wie ihn seine Mitarbeiter keineswegs im Umgang erlebten.

Sowohl als Erzbischof von Breslau als auch als Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz verstand sich der 1919 zum Kardinal erhobene Bertram in erster Linie als Seelsorger. Dies Seelsorge unter allen Umständen sicherzustellen, betrachtete er als seine wichtigste Aufgabe, vor allem im Dritten Reich.

Unterstützung des Nationalsozialismus

Kardinal Bertram hatte schon früh den Nationalsozialismus als Gefahr erkannt und davor gewarnt, doch gefangen in seinem staatskirchlichen Korsett bot er den Nationalsozialisten nach der "Machtergreifung" seine Mitarbeit an; die Nazis waren an der Regierung und damit die gottgegebene Obrigkeit. In der Einschätzung Hitlers als "guter Katholik" unterlief ihm ein fataler Fehler, urteilt Historiker Hinkel.

1940 schickte der Kardinal Hitler zum Geburtstag ein nicht mit der Bischofskonferenz abgesprochenes Glückwunschtelegramm, das vor allem den Berliner Bischof, Konrad Graf Preysing, unendlich erboste. Denn Preysing stand für eine völlig andere Art, der Regierung zu begegnen als Bertram.

"Milieu-Egoist"

Der Fürsterzbischof setzte auf die Macht schriftlicher Eingaben, immer und immer wieder mahnte er rechtswidrige Eingriffe in das Leben der Kirche an, allerdings ohne jeden Erfolg. Zur Euthanasie oder zur Judenverfolgung äußerte er sich nicht, auch die Verteidigung der allgemeinen Menschenrechte betrachtete er nicht als seine Aufgabe. Hinkel beschreibt ihn daher als einen Milieu-Egoisten.

Als in der Bundesrepublik die katholische Kirche begann, ihre Rolle im Dritten Reich aufzuarbeiten, wurde Kardinal Bertram posthum viel kritisiert - als Stellvertreter für Papst Pius XII., den man nicht angreifen wollte.


Quelle:
KNA
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