Einfühlsame NDR-Dokumentation über Trauerarbeit von Kindern

Frühes Leid und Neubeginn

Agatha, Hawa, Tom und Lasse - die vier Kinder teilen das gleiche, traurige Schicksal. Die beiden Geschwisterpaare haben ein Elternteil verloren und sind noch immer fassungslos.

Autor/in:
Heide-Marie Göbbel
 (DR)

Die Filmemacherin Marianne Strauch begegnete den Halbwaisen im Bremer Zentrum für trauernde Kinder. Sie begleitete sie einige Wochen zu Hause und in der Gruppe und zeigt in der ungewöhnlichen Dokumentation "Abschied. Wie Kinder trauern", der am Montag um 23.00 Uhr im NDR-Fernsehen ausgestrahlt wird, wie sie den großen Verlust bewältigen und lernen, sich erneut dem Leben zuzuwenden.

Die Autorin bleibt bei den Dreharbeiten weitgehend im Hintergrund. Nur selten wendet sie sich mit direkten Fragen an die Kinder. Sie zeigt die einfühlsame und geduldige Arbeit der Mitarbeiterinnen der Trauergruppen. Die Kinder im Bremer Zentrum sitzen in der Runde und ziehen Karten mit Fragen wie "Was hättest du gerne noch mit dem oder der Verstorbenen gemacht?" Die Kleinste überlegt nicht lange und antwortet: "Schaukeln". Auf einer anderen Karte steht: "Woran hast du gemerkt, dass der oder die Verstorbene glücklich war?" - "Wenn er Fußball geguckt hat", antwortet ein Junge. Er und sein Bruder haben kurz vor Weihnachten den Vater verloren, der sich das Leben nahm.

Die Suche nach Erklärungen
Fünf und drei Jahre alt waren Tom und Lasse, erzählt die Autorin. Ihr Papa hatte ihnen noch "Gute Nacht" gesagt und war dann in den Wald gefahren, um sich mit einem gezielten Stich ins Herz zu töten. Die Familie des Taxifahrers suchte lange nach einer Erklärung und vermutet, dass es die finanziellen Probleme waren, die diese Kurzschlusshandlung auslösten. Tom und Lasse haben ihrem Vater bis heute nicht verziehen. Aber die Trauergruppe hilft ihnen weiter - und vor allem Thomas Schaaf, der Trainer von Werder Bremen.

Schaaf musste selbst leidvolle Erfahrungen machen. Er verlor innerhalb weniger Monate drei nahestehende Menschen und engagiert sich heute für die Kinder aus dem Bremer Zentrum. Man müsse trotz allem offen bleiben und das tägliche Leben annehmen, sagt er. "Der Tod gehört dazu. So wie jemand in unser Leben tritt, treten auch Leute ab." Lasse und Tom sind froh, dass sie sich an ihn wenden können und brauchen ihn als väterlichen Freund und Vorbild.

Austausch mit den anderen Kindern in einer Trauergruppe
Die Geschwister Agatha und Hawa probieren gerade die Polizeimützen ihrer Mutter auf, die weiße, die grüne und die sechseckige von der blauen Uniform, über die sich die Mutter schlapp gelacht hat. Die junge Mutter starb an Krebs. Die Mädchen wurden von der Familie ihrer Tante liebevoll aufgenommen und sehen ihren Vater nur alle 14 Tage. Sie mögen ihr neues Leben sehr, erzählt die Autorin. Dennoch brechen häufig noch Trauer und Verzweiflung über den frühen Tod ihrer Mutter durch.

Der Austausch mit den anderen Kindern in der Trauergruppe tut den beiden gut, erzählt die Tante. Denn oft wollten sie zu Hause nicht reden - aus Angst, damit auch die anderen traurig zu machen. Die Mädchen befolgen intuitiv, was auch Thomas Schaaf im Stadion den Jungen empfiehlt, nämlich sich möglichst an die schönen Stunden zu erinnern, die sie mit den Verstorbenen verbracht haben, um sich dann mit neuen Kräften auf die Zukunft zu konzentrieren.

Die Filmemacherin zeigt in ihrer einfühlsamen und geduldigen Dokumentation, wie viel Aufmerksamkeit und Zuwendung die Kinder brauchen, um die Zeit der Trauer zu durchleben. Die Erinnerung an Vater oder Mutter ist ihnen ein großes Bedürfnis. Sie erfahren, dass es in Ordnung ist zu trauern, und dass die Verstorbenen für immer diesen Platz in ihrem Herzen einnehmen werden.