Filmdenkmal für seliggesprochenen Nazi-Gegner Jägerstätter

Einer der provozierendsten Märtyrer der NS-Zeit

Star-Regisseur Terrence Malick setzt ihm ein filmisches Denkmal, das jetzt in die Kinos kommt. Doch wer war der später seliggesprochene Franz Jägerstätter wirklich, der enthauptet wurde, weil er den Eid auf Hitler verweigerte?

Autor/in:
Norbert Zonker und Gottfried Bohl
Szene im Film "Ein verborgenes Leben (A Hidden Life)" / © DreamWorks SKG/ Filmfest Cannes (dpa)
Szene im Film "Ein verborgenes Leben (A Hidden Life)" / © DreamWorks SKG/ Filmfest Cannes ( dpa )

Von allen Märtyrern der NS-Zeit ist er sicher eine der provozierendsten Gestalten. Er war kein Intellektueller, gehörte keiner Widerstandsgruppe oder Organisation an, sondern war ein einfacher Mann, der seinem Gewissen folgte: Franz Jägerstätter, dessen Lebensgeschichte jetzt in Terrence Malicks "Ein verborgenes Leben (A Hidden Life)" im Kino zu sehen ist.

Von Anfang an durchschaute er den Nationalsozialismus als "gottlose Macht". Und genau hier liegt die Provokation: Wenn ein Bauer aus Sankt Radegund bei Linz in Oberösterreich dazu in der Lage war, warum haben dann die Gebildeten und sozial Höherstehenden diese Klarsicht und Konsequenz vermissen lassen? Jägerstätter, der am 20. Mai 1907 als Franz Huber geboren und am 9. August 1943 enthauptet wurde, war vielen Zeitgenossen ein Ärgernis.

Aus einfachsten Verhältnissen

Der aus einfachsten Verhältnissen stammende Mann fasziniert seit Jahrzehnten viele durch seine Geradlinigkeit – auch wenn sein Leben keineswegs bruchlos auf die Kriegsdienstverweigerung und das folgende Todesurteil hinauslief. Der junge Franz, der von seinem Adoptivvater Heinrich Jägerstätter den Hof erbte, galt als lebenslustiger, mitunter auch jähzorniger Mensch. Er besaß als erster im Dorf ein Motorrad und hatte eine uneheliche Tochter.

Nach einem Bekehrungserlebnis dachte er über den Eintritt ins Kloster nach, doch sein Ortspfarrer riet ihm ab. 1936 heiratete er Franziska Schwaninger, mit der er drei weitere Töchter hatte und die ihm zur "geistlichen Lebensbegleiterin" wurde. Sie regte ihn zum gemeinsamen Beten und Bibellesen an, und er übernahm in seinem Dorf die Aufgabe des Küsters. Am 10. April 1938 stimmte er als einziger in Sankt Radegund gegen den "Anschluss" Österreichs ans Deutsche Reich.

Kriegsdienst verweigert

1940/41 war Jägerstätter noch bereit, als Kraftfahrer in der Wehrmacht zu dienen, doch nach seiner Entlassung - er wurde vom Bürgermeister als "unabkömmlich" auf den Hof zurückgeholt - stand für ihn fest, dass er einer weiteren Einberufung nicht Folge leisten würde. Als es zwei Jahre später soweit war, erklärte er, dass er gegen sein religiöses Gewissen handeln würde, wenn er für den nationalsozialistischen Staat kämpfte. Von seinem intensiven Ringen mit dieser Frage, auch seinen Selbstzweifeln, zeugen seine Aufzeichnungen in drei Schreibheften und seine Briefe.

Verwandte und Freunde, auch mehrere Geistliche und der Linzer Bischof Joseph Fließer, den er um Rat fragte, hatten vergeblich versucht, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Nur seine Frau stärkte ihm den Rücken. Pfarrer Heinrich Kreuzberg, der ihn im Gefängnis in Berlin-Tegel besuchte, berichtete in einem Brief an Franziska Jägerstätter, wie erfreut und erleichtert ihr Mann gewesen sei, als er ihm von dem österreichischen Pallottinerpater Franz Reinisch erzählte, der den Kriegsdienst mit derselben Begründung verweigert hatte.

Todesurteil wegen "Zersetzung der Wehrkraft"

Am 6. Juli 1943 verurteilte das Reichskriegsgericht Jägerstätter wegen "Zersetzung der Wehrkraft" zum Tode. Am 9. August wurde er enthauptet. Dechant Albert Jochmann, der ihn auf seinem letzten Weg begleitete, sagte: "Er hat als Heiliger gelebt und ist als Heiliger gestorben."

Bis sich diese Einschätzung in der breiten Öffentlichkeit durchsetzte, war es freilich noch ein weiter Weg. Zunächst wurde Jägerstätter nach 1945 in Österreich nicht einmal als Opfer des politischen Widerstands anerkannt. Witwe Franziska bekam erst 1950 eine Witwenrente nach dem Kriegsopferfürsorgegesetz. 1964 legte der Amerikaner Gordon C. Zahn eine erste Biografie Jägerstätters vor, die ihn international bekannt machte. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) verwies Erzbischof Thomas D. Roberts ausdrücklich auf Jägerstätters Gewissensentscheidung.

Erst 1997 wurde der Seligsprechungsprozess offiziell eröffnet. Am 1. Juni 2007 bestätigte Papst Benedikt XVI. das Martyrium, am 26. Oktober 2007 fand die Seligsprechung im Linzer Mariendom statt. Als Gedenktag wurde der 21. Mai festgesetzt. Beim Festgottesdienst trug seine Witwe Franziska, die sechs Jahre später kurz nach ihrem 100. Geburtstag starb, eine Reliquie ihres Mannes zum Altar.


Quelle:
KNA
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