In einer Clearingstelle in Düsseldorf finden minderjährige Migranten eine erste Anlaufstelle

Eine neue Heimat für jugendliche Flüchtlinge

Jony ist ein Asylbewerber aus Indien. Nach drei Monaten auf Containerschiffen gelangte der 16-Jährige von der Punjab-Region in Indien über Moskau und die Türkei nach NRW. Er ist einer von zwölf jugendlichen Flüchtlingen, die derzeit ohne Eltern in einer Clearingstelle in Düsseldorf leben.

Autor/in:
Helena Baers
 (DR)

"Ich wusste nicht, in welchem Land ich bin, und bin zur Polizei gegangen", erzählt Jony. In dem Haus der Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf werden nach der Ankunft der Flüchtlinge ihre Herkunft, ihre Identität und nötige Hilfen geklärt. "Die Zielgruppe unseres Hauses sind männliche jugendliche Flüchtlinge zwischen 14 und 18", sagt der Leiter des pädagogischen Teams, Erik Oschek.



Die Räume in der Innenstadt sind hell und freundlich. Vor der Eingangstür steht "Willkommen" in vielen verschiedenen Sprachen. Im Aufenthaltsraum hängen eine Weltkarte und eine Deutschlandkarte an der Wand, Gesellschaftsspiele liegen im Regal. Eine Etage höher gibt es noch einen Raum mit Sofas und einem Kickertisch. Die oft traumatisierten Jungen sollen sich wohlfühlen. Eine dauerhafte Heimat ist das Haus jedoch nicht: Die Jugendlichen bleiben drei Monate in der Stelle. Dann kommen sie in andere Einrichtungen.



Jungen oft traumatisiert

Drei Wochen ist Jony nun schon in der Clearingstelle. Rein äußerlich ist er nicht von anderen Jugendlichen in Deutschland zu unterscheiden. Er trägt die kurzen Haare hochgegelt und ein Ziegenbärtchen, außerdem ein enges graues T-Shirt und Jeans mit Designerlabel.



"Ich bin wegen der religiösen Kämpfe geflohen", sagt der 16-Jährige. Er sei Hindu und habe in der Punjab-Region gelebt, wo die Bevölkerungsmehrheit der Sikh-Religion angehört. Er sei misshandelt worden, berichtet er und zeigt auf seinen rechten Arm, der mit großen Narben von Brand- und Schnittwunden übersät ist. Wie er haben viele der minderjährigen Flüchtlinge in der Clearingstelle Gewalt erlebt. "Es sind extrem hoch belastete Jungs", sagt der Leiter des Clearingteams, Miguel Temprano.



Wie viele junge Migranten jedes Jahr ohne Eltern nach NRW kommen, ist unklar. "Es gibt keine belegbaren Zahlen", sagt die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF), Katrin Löffelhardt. Nach Schätzungen des UMF-Bundesverbands hielten sich im vergangenen Jahr 543 ohne Eltern eingereiste jugendliche Flüchtlinge in NRW auf. In Düsseldorf haben in eineinhalb Jahren 70 Jungen in der Clearingstelle gewohnt. Zwei weitere Clearingstellen für Minderjährige gibt es in Dortmund und Bielefeld. Das Jugendamt vermittelt die Betroffenen in die Häuser.



Flüchtlinge wollen sich integrieren

Häufig kommen die Jugendlichen nach Angaben von Temprano aus Afghanistan. Auch aus Westafrika, Indien und Pakistan habe es zuletzt viel Zustrom gegeben. Bei vielen sei es die politische Verfolgung, die sie zur Flucht zwinge. Jony sagt, er habe nur nach Europa gewollt. So wie ihm geht es vielen. Die Jugendlichen landen oft nicht bewusst in Deutschland. "Die werden von Schlepperbanden irgendwo hin gebracht", berichtet Oschek. Sie wüssten dann gar nicht, wo sie seien.



Sein pädagogisches Team ist auch dafür zuständig, dass die Kinder eingeschult werden. "Sie wollen Deutsch lernen und sich integrieren", hat er festgestellt. Das hilft ihnen auch, wenn es um einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland geht. Die Jugendlichen hätten mehr Zeit, sich zu integrieren, damit stiegen ihre Erfolgsaussichten. Denn die Chancen von Jugendlichen auf einen erfolgreichen Asylantrag sind seinen Angaben zufolge nicht höher als die von Erwachsenen.



Jony hat noch keinen Platz in einer Schule, deswegen lernt er im Moment nur im Haus Deutsch. "Alles klar", sagt er schon fast akzentfrei, als er von seiner derzeitigen Stimmung spricht. "Wenn ich hier bleibe, wird meine Zukunft rosig", ist er überzeugt.