Eine theologische Betrachtung zu Christi Himmelfahrt

Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn

Jesus ist in den Himmel aufgefahren, trotzdem ist er bei den Menschen. Christi Himmelfahrt ist damit alles andere als ein Abschiedsfest. Aber wie – und was ist noch damit verbunden?

Autor/in:
Fabian Brand
Christi Himmelfahrt (Erzbistum Köln)

Aus den Augen, aus dem Sinn: So sagt man manchmal, um damit etwas abschätzig auszudrücken, wenn Menschen nicht mehr aneinander denken. Es kann schon passieren, dass die frühere Nachbarin plötzlich wegzieht - und schon ist das liebgewonnene, spontane Gespräch über den Gartenzaun nicht mehr möglich. Ob der Kontakt auf anderem Weg aufrechterhalten wird, steht auf einem anderen Blatt. Wenn jemand nicht mehr direkt da ist, heißt das im Volksmund, dass sie oder er auch endgültig vergessen wird.

Diesmal wirklich ein Abschluss...

Aus den Augen, aus dem Sinn: Ob das auch für Jesus gilt? Immerhin entschwindet er vor den Augen seiner Jünger - und das ja bereits zum zweiten Mal. Wieder einmal ist er weg, wieder ihren Blicken entzogen. So, wie das schon vor einigen Wochen war, als er am Abend des Karfreitag in das kühle Grab gelegt worden ist. Die Himmelfahrt Jesu konfrontiert nicht nur die Jünger damals mit einer erschreckenden Leere: Jesus entschwindet vor den Augen seiner Jünger, heißt es in der Lesung aus der Apostelgeschichte. Jesus ist weg – ein für alle Mal verloren.

Was damals am Karfreitag schon an ein Ende gekommen schien, hat jetzt wirklich einen Abschluss erreicht. Denn die Männer in weißen Gewändern, die bei den Jüngern plötzlich auftauchen, machen doch eindeutig klar: Es lohnt sich nicht, den Blick gen Himmel zu richten in der Erwartung, dass Jesus wiederkommt.

Christi Himmelfahrt

40 Tage nach Ostern feiern die Christen das Fest Christi Himmelfahrt. Das Geschehen ist in der Bibel beschrieben, sowohl im Lukas-Evangelium als auch in der von Lukas verfassten Apostelgeschichte. Nachdem Jesus mit seinen Jüngern gesprochen hatte, so heißt es dort, "wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken".

Christi Himmelfahrt (epd)
Christi Himmelfahrt / ( epd )

Freilich, er kommt wieder – am Ende der Zeiten als Richter der Lebenden und der Toten. Jetzt aber ist für die Apostel erst einmal etwas anderes dran: nämlich die Rückkehr in ihr alltägliches Leben, um dort Zeuginnen und Zeugen für das Evangelium des auferstandenen und in den Himmel aufgefahrenen Herrn zu sein.

...aber kein Abschied

In der alten Liturgie der Kirche hat man dieses Entschwinden des Auferstandenen sehr augenfällig inszeniert. In manchen Kirchen hat man zur Verkündigung des Evangeliums am Himmelfahrtstag die Figur des Auferstandenen nach oben gezogen, in den Dachboden der Kirche. Und andernorts hat man im Anschluss an den Wortgottesdienst die Osterkerze ausgeblasen. Zeichen dafür, dass die Präsenz des Auferstandenen in dieser Welt an ein Ende gekommen ist. So, wie es das erste Kapitel der Apostelgeschichte eben erzählt: Christus fährt auf dem Ölberg inmitten seiner versammelten Jüngerschar in den Himmel auf. Er weilt nicht länger auf dieser Erde.

Doch aus den Augen heißt in diesem Fall eben nicht auch aus dem Sinn: Denn Christus gibt den Jüngern etwas Entscheidendes mit auf ihren Weg. Er sagt ihnen zu, was sich in den Worten des Matthäusevangeliums so anhört: "Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20). Kein Wort von Abschied, und kein Wort von "aus den Augen sein"! Sondern eine Zusage und ein Versprechen: Auch, wenn ich in den Himmel aufgefahren bin, bin ich bei euch, teile ich eure Wege und euer Leben.

Der Auferstandene ist zwar den Blicken der Jünger entzogen, aber er ist dennoch bleibend in seiner Kirche gegenwärtig. Er ist da an allen Tagen dieser Welt. Christi Himmelfahrt ist kein Fest des Abschiednehmens.

Zusage an die Menschen

Es ist vielmehr ein Fest, das mit der festen Zusage verbunden ist, dass wir mit der bleibenden Gegenwart des auferstandenen Herrn in unserer Welt rechnen dürfen. Er ist da, und er bleibt da, auch wenn er seit Ostern zur Rechten des Vaters erhöht ist. "Er ist nicht hier", sagen die Engel im leeren Grab zu den Frauen, die am Ostermorgen kommen. Er ist nicht im Grab geblieben, er ist auch nicht in dieser Welt geblieben. Und dennoch ist er da, bleibend gegenwärtig: dort, wo wir bis heute auf sein Wort hören und sein Gedächtnis feiern. Dort, wo wir ihn bis heute im Sinn behalten, wo wir seiner gedenken und sein Evangelium im Alltag mit Leben füllen.

Dort ist er, dort will er uns als der Auferstandene begegnen, um uns mit seiner Gegenwart zu umfangen. Das ist die Zusage, die er uns gibt, bevor er in den Himmel auffährt: Ich bleibe bei euch, was auch sein mag, ich bin da für euch. Darauf dürfen wir vertrauen an allen Tagen unseres Lebens und bis in alle Ewigkeit.

Quelle:
KNA