Eventuell doch kein Kreuz auf Berliner Stadtschloss

Eine schwelende Debatte

Die Errichtung eines Kreuzes auf dem wiederaufgebauten Berliner Stadtschloss ist möglicherweise doch nicht sicher. Gründe könnten das im Schloss geplante Humboldt-Forum und die damit verbundene Kolonialismusdebatte sein.

Dach des Berliner Stadtschlosses / © Klaus-Dietmar Gabbert (dpa)
Dach des Berliner Stadtschlosses / © Klaus-Dietmar Gabbert ( dpa )

Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp, bis Juni einer der Gründungsintendanten des im Schloss geplanten Humboldt-Forums, sagte der "Herder Korrespondenz": "Es gilt zwar der unumstößliche Beschluss, dass das Schloss originalgetreu wieder aufgebaut wird, und das bedeutet: mit Kreuz. Aber die Nervosität bei den politischen Entscheidungsträgern ist wegen der Kolonialismusdebatte übergroß." Ihre Sorge sei, dass das Kuppelkreuz als "Triumphzeichen" gewertet werden könnte.

Der gesamte Kuppelaufsatz einschließlich Kreuz wird laut Bredekamp gerade gegossen und soll 2019 aufgesetzt werden. Er rechnet damit, dass dann die Debatte neu aufflammt: "Seit 2017 hat sich die Frage nach der Dominanz der abendländischen christlichen Kultur im Verein der Kulturen nochmals radikalisiert: durch den Streit um den richtigen Umgang mit Museumsbeständen, die aus der Zeit der Kolonialherrschaft stammen."

Humboldt-Forum soll völkerkundliche Sammlungen vereinen

Das Humboldt-Forum, das Berlins völkerkundliche Sammlungen vereinen soll, stehe in diesem Streit unter einem Erwartungsdruck, dem es nach Ansicht Bredekamps im Grunde niemals gerecht werden kann. "Wenn in dieser Gemengelage nun auch noch das Kreuz auf die Kuppel gesetzt wird, könnte sich eine neue Empörungswelle aufbauen", so das Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Bredekamp indes befürwortet die Aufstellung des Kuppelkreuzes: "Die Größe der europäischen Kultur besteht ja gerade darin, dass ihre Produkte stets mit dem Schatten ihrer eigenen Kritik verbunden sind.

Das Kuppelkreuz würde als Relikt einer Thronreligion fungieren, die es nicht mehr gibt, als Abschied an einen historischen Zustand, den niemand mehr will, weder die Kirche noch die Obrigkeit." Die Strategie der Kritiker bestehe aber darin, genau diese historische Distanzierung vergessen zu machen, um dann einen neuen Kulturkampf entfesseln zu können.


Quelle:
KNA