Eine Olympia-Halbzeitbilanz des evangelischen Sportpfarrers

Offene Ohren und wildes Wasser

Seit einer Woche sind die Olympischen Spiele von London in vollem Gange. Mit dabei: die deutschen Sport- und Olympiapfarrer der christlichen Kirchen. Thomas Weber im Interview mit domradio.de über ungewohnte Ruhe, die Gespräche mit Athleten und den Besuch des EKD-Ratsvorsitzenden.

 (DR)

domradio.de: Wie präsentiert sich London in diesen Tagen?

Weber: Ruhiger als gewöhnlich. Man hat den Eindruck, drei Millionen Londoner haben die Stadt wegen der Olympischen Spiele verlassen. Und zwei Millionen Olympiatouristen sind gekommen. Auch von deutschen Botschaftsmitarbeitern habe ich gehört, dass es so ruhig wie sonst nie im Jahr ist.



domradio.de: Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus nach der ersten Woche London?

Weber: Die sportlichen Wettbewerbe sind perfekt organisiert. Auch das Transportsystem funktioniert vorzüglich. Was die Stimmung drückt, ist die Frage nach den Tickets. Wer hier her kommt, wird vor Ort keine Tickets mehr erhalten. Auch deshalb haben viele Londoner die Stadt verlassen. Auch deshalb kann man nicht sagen, dass die Stadt voller olympischer Begeisterung ist.



domradio.de: Welches Ereignis hat bei ihnen den stärksten Eindruck hinterlassen?

Weber: Das war für mich der Besuch der Wildwasseranlage. Wildwasser-Kanuslalom hatte ich bisher noch nie live gesehen. Und hier habe ich auch der Tribüne neben den Eltern der Athleten gesessen. Überhaupt scheinen die Zuschauer dieser Sportart eine große Kanu-Familie zu sein. Zu sehen, wie sich innerhalb einem Bruchteil von Sekunden entscheidet, ob der Lauf gut oder weniger gut war - das war sehr beeindruckend. Auch vor dem Hintergrund des harten Trainings, das die Athleten hinter sich haben.



domradio.de: Sie sind nah an der Mannschaft. Nach den ersten medaillenlosen Tagen für das deutsche Team, war schon von Debakel und Katastrophenstart zu lesen. Haben Sie das in London auch in der Mannschaft gespürt?

Weber: An den ersten Abenden im Deutschen Haus war die Stimmung schon gedrückt. Allerdings hat sich das inzwischen geändert: Alle freuen sich über die große Medaillenflut, die Stimmung ist gelöst und locker.



domradio.de: Wie sieht das Programm für Sie und Ihren katholischen Kollegen, Hans-Gerd Schütt, in diesen Tagen aus?

Weber: Erst mal sind wir Ansprechpartner für alle in der deutschen Olympiamannschaft. Wir haben viel Zeit zuzuhören. Viele schätzen das: dass sie mit uns über ganz normale Belange sprechen können, ohne Angst haben zu müssen, dass das am nächsten Tag in der Zeit steht. Jetzt am Wochenende bekomme ich Besuch vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Präses Nikolaus Schneider. Er schaut sich auf persönliche Einladung zwei Tage lang olympische Wettbewerbe an. Außerdem feiern wir gemeinsam einen ökumenischen Wortgottesdienst im Deutschen Haus.



Zur Person: Der evangelische Theologe Thomas Weber gehört offiziell zur deutschen Olympia-Mannschaft in London.



Das Gespräch führte Christian Schlegel.