Eine Londoner Kirche bietet Gästen einen besonderen Anlaufpunkt

Olympia-Cafe im Gotteshaus

Wer die Kirche "St Mary Of Eton" im Londoner Randbezirk Hackney Wick betritt, um einen Gottesdienst zu besuchen, wundert sich. Statt auf Kirchenbänken sitzen die Menschen auf Campingstühlen und plaudern. Die Sicht auf den farbenfrohen Altar versperren Bauzäune, an denen gerahmte Fotos britischer Athleten hängen, direkt daneben klettert ein Kind auf einem aufblasbaren Turngerät herum.

Autor/in:
Caroline von Eichhorn
London: Kunst und Kommerz in der Kirche (KNA)
London: Kunst und Kommerz in der Kirche / ( KNA )

Ein Cafe mit Kunstausstellung und Kinderspielplatz - kein typischer Anblick im Innenraum einer Kirche. Vikar Reuben Preston, dem die Idee für die gastronomische Nutzung vor einem halben Jahr kam, findet das jedoch durchaus sinnvoll. Eben hat er in seinem Büro eine alleinerziehende Mutter beraten; jetzt holt er sich eine Tasse Englischen Tee mit Milch und setzt sich in sein neues Cafe. "Ich will niemanden bekehren; ich will den Touristen nur das bieten, was sie normalerweise brauchen, wenn sie unterwegs sind; ich bin da von mir selbst ausgegangen." Deshalb hat er einen W-Lan-Router installiert und eine Mehrfachsteckdose in der Kirche bereitgelegt - zum Aufladen der Handys und Kameras.



Hinter der Theke füllt Sandra Rex Milchkännchen und Zuckerdosen auf. Die gebürtige Ostlondonerin ist vor sieben Jahren ins 70 Kilometer entfernte Essex gezogen - ihrer Gemeinde in Hackney Wick ist sie jedoch weiterhin treu geblieben. Seit Beginn der Spiele in London fährt sie jeden Tag hierher zurück und bedient die Gäste. "Ich finde die Idee herrlich", sagt sie. "Unsere Kirche ist so schön - warum sollen wir sie nur während des Gottesdienstes nutzen?"



Kunst und Kommerz

Kunst und Kommerz in der Kirche? "So etwas wäre in einer katholischen Kirche in Deutschland nicht möglich", sagt die Kirchenrechtlerin Beatrix Laukemper-Isermann aus Münster. "In einem Profanierungsritus müsste man sie erst ihrem seelsorgerischen Zweck entziehen." In der Church Of England, der anglikanischen Staatskirche von England, ist das hingegen erlaubt.



Der heute 47-jährige Vikar Preston war selbst auch mal Künstler, bevor er seine Priester-Karriere begann. Bis vor knapp einem Jahr arbeitete er in einer Gemeinde an der Südküste Englands, "doch dann habe ich die Vielfalt vermisst". Deshalb wechselte er nach London.

Hier findet er die gewünschte Buntheit, etwa in Form von jungen Künstlern, die eine Plattform zum Ausstellen ihrer Werke suchen, und sei es nur der Bauzaun in der Kirche. Auf den dort angebrachten Fotos balanciert eine junge Turnerin auf einem Schwebebalken, eine schwangere Hockeyspielerin posiert mit ihrem Schläger vor einem Strohballen. Drei Jahre Arbeit von den Fotografen Ginny Jory und Laura Woolnough stecken in den zwei Dutzend Portraits britischer Athleten.



In den Turm der Kirche führen 128 Stufen einer steilen, schmalen Wendeltreppe. Oben angekommen, zeigt Preston auf das Olympische Stadion und den Olympischen Aussichtsturm - beide lassen sich von hier bestens bestaunen. "Unsere Kirchturm-Tour ist mit fünf Pfund viel billiger als die auf den Olympischen Aussichtsturm", sagt Preston lachend. Doch die erhofften Touristenströme bleiben aus.

"Auch wenn wir so nah am Olympia-Stadion dran sind, verirren sich nur wenige in unseren Randbezirk Hackney Wick", sagt der Geistliche.

"Ausgeschildert sind nur die Shopping-Center und der Weg zur Innenstadt."



Umso mehr ist die Kirche während der Spiele Treffpunkt für die Gemeindemitglieder und ihre Freunde. Maureen Sinclair Benstead hat es sich bei einer Tasse Tee gemütlich gemacht und liest. "Um den Cafebetrieb zu unterstützen, bringe ich auch meine Freunde und internationale Olympia-Gäste mit." Sie hofft, dass die Einnahmen dem Bauvorhaben zugutekommen, das die Kirche seit 20 Jahren plant. Sie braucht ein neues Dach.