Eine kleine Kulturgeschichte des Armleuchters Menora

Kandelaber, Girandole, Chanukkia

Wer ein Armleuchter ist, wird heute im Straßenverkehr definiert. Leider zum Schimpfwort verkommen, ist der Lichtbringer im Ursprung ein wichtiges liturgisches Instrument und von großem Nutzen für die Allgemeinheit.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Siebenarmiger Leuchter: Menora an der Mauer der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf / © Julia Steinbrecht (KNA)
Siebenarmiger Leuchter: Menora an der Mauer der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Was für ein Ar...mleuchter!" So behilft sich heute so gerade noch, wer nicht noch Böseres über seinen Mitmenschen sagen möchte. Ein schnödes Schimpfwort also, wenn auch der harmloseren Art.

Ein ehrenwerter Leuchter

Dabei ist der Armleuchter eigentlich ein höchst ehrenwertes Gerät der zivilisierten Gesellschaft, das seit Jahrtausenden im Öffentlichen wie im Privaten Gutes tut. Eine kulturhistorische Klarstellung zu Channuka, dem jüdischen Lichterfest, das an diesem Donnerstag beginnt und bis zum 15. Dezember dauert.

Chanukkaleuchter / © Julia Steinbrecht (KNA)
Chanukkaleuchter / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Was verbindet man heute mit dem traditionellen, dem echten Armleuchter? Ein romantisches Mahl vielleicht? Edgar Allan Poe und seine Besuche in düsteren Weinkellern Venedigs? Schloss- und Vampirfilme, in denen eine unheimliche Gestalt in flackerndem Kerzenlicht am quietschenden Eingangstor erscheint? Ja, alles das - denn der Armleuchter ist die Lichtquelle dort, wo ansonsten Dunkelheit herrscht; anheimelnd oder unheimlich, elegant oder dräuend.

Wichtiges Symbol des Judentums

Der Weg zurück zum Ursprung führt über den Siebenarmigen Leuchter christlicher Kirchen des Mittelalters bis in die frühe Geschichte des Judentums. Die Menora war der Leuchter zum Aufstecken von Kerzen, wie er im Buch Exodus, Kapitel 37, aus dem Tempel des Salomo in Jerusalem beschrieben ist. 

Er zählt bis heute zu den wichtigsten Symbolen des Judentums. Nach biblischer Darstellung erhielt Moses am Berg Sinai den Auftrag für ein Heiligtum, das die Israeliten bei ihrem langen Marsch durch die Wüste mitführen konnten. Einer dieser Kultgegenstände sollte ein Leuchter mit sieben Armen sein.

Nach der Landnahme, so heißt es im Buch der Könige, wurde die Menora Teil des salomonischen Tempels, der bei der Zerstörung Jerusalems 586 vor Christus unterging. Die Ausstattung des neu errichteten Zweiten Tempels ging vier Jahrhunderte später bei der Plünderung durch die Seleukiden verloren; und auch der dritten, aus 70 Teilen bestehenden Menora erging es in den Eroberungszügen der Römer nicht besser. 

Bei der Niederwerfung der jüdischen Erhebung brannte im Jahr 70 der Jerusalemer Tempel. Teile der Ausstattung wurden als Beutestücke nach Rom gebracht.

Licht soll niemals ausgehen

Auf dem Titusbogen auf dem Forum Romanum ist der Triumphzug mit dem siebenarmigen Leuchter dargestellt. Im sogenannten Friedenstempel vom Ende des 1. Jahrhunderts verlieren sich die gesicherten Spuren der Menora. 

Zwar beschreibt der Historiker Prokop von Caesarea, beim Triumphzug des oströmischen Feldherrn Belisar 534 seien "die Schätze der Juden" mitgeführt worden. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass der Leuchter irgendwann um seines Metallwertes willen eingeschmolzen wurde.

Chanukka / © ungvar (shutterstock)

Eine Menora zwischen zwei Ölzweigen ist 1948 zum Wappen des modernen Staates Israel geworden. Und auch die 10-Agorot-Münze (100 Agorot = 1 Schekel) zeigt den siebenarmigen Leuchter. Die Channukia, der Channukaleuchter, an dem zum acht Tage dauernden jüdischen Lichterfest bald wieder täglich eine weitere Kerze entzündet wird, hat acht oder gar neun Arme - als Ermahnung, dass das Licht der siebenarmigen Menora niemals ausgehen soll.

Jüdische Leuchter in christlichen Kirchen

Doch wie schaffte der jüdische Leuchter den Sprung in christliche Kirchen, Paläste und später auch bürgerliche Wohnstuben? Über die Buchmalerei und – wie nicht selten – über christliche Umdeutung. Der mittelalterliche Theologe Rupert von Deutz (um 1070/75-1129) etwa interpretierte dessen sieben Arme als Wurzel Jesse (Jesusbaum) und also als geistliche Ankündigung des Messias gemäß dem Propheten Jesaja.

Doch auch neben dieser Deutung hat die Siebenzahl eine große Symbolkraft im frühen Christentum. Die Sieben steht für die Vollendung der Schöpfung, hat Komponenten wie die vier Evangelien, die vier Himmelsrichtungen, die Dreieinigkeit Gottes, die sieben Gaben des Heiligen Geistes etc. In der Offenbarung des Johannes (Apokalypse) trägt Christus sieben Goldleuchter.

Siebenarmige Leuchter in Kirchen sind seit karolingischer Zeit verbürgt. Der älteste erhaltene, um das Jahr 1000 entstanden, steht im Essener Münster. Weitere wichtige Exemplare sind der im Braunschweiger Dom, im Stift Klosterneuburg in Niederösterreich, im Mailänder Dom oder in der Nikolaikirche in Tallinn.

Für ein paar Euro beim Discounter

Es mag auch an der deutschen Verballhornung des "Armleuchters" liegen, dass die romanischsprachigen Bezeichnungen deutlich eleganter klingen: Kandelaber, englisch und französisch "chandelier", italienisch "girandole". 

Sie alle zeugen davon, dass die antiken Armleuchter – denn auch sie gab es als mehrarmige Träger von Öl- oder Talglichtern – auch im weltlichen Gebrauch Karriere machten. Sie gingen den Weg alles Irdischen: vom Heiligen ins herrschaftlich Profane; von dort ins Großbürgerliche. Und heute? Bekommt man mehrarmige Kandelaber schon für ein paar Euro beim Discounter.

Chanukka

Kerzen, Kreisel, Reibekuchen und ein "Diener": Sie gehören untrennbar zum jüdischen Lichterfest Chanukka. 

Von Sonnenuntergang bis Mitternacht, solange Kerzen brennen, wird gesungen und gespielt. Beliebt ist das Trendl- oder Dreidelspiel mit einem vierseitigen Kreisel, der vier hebräische Schriftzeichen trägt. Sie ergeben den Spruch: "Ein großes Wunder geschah hier." Überdies werden Kinder beschenkt, und es gibt besondere Speisen wie Latkes, eine Art Reibekuchen, und Sufganiot, in Öl gebackenes Spritzgebäck.

Chanukka-Leuchter in Berlin (dpa)
Chanukka-Leuchter in Berlin / ( dpa )
Quelle:
KNA