Was man von Katholiken in der Diaspora lernen kann

"Eine Glaubensgemeinschaft erleben"

In Ostdeutschland und Skandinavien leben Katholiken in der Minderheit, in der Diaspora. Von ihnen könne man lernen, wie man mit begrenzten Mitteln lebendige und einladende Kirche sein kann, meint der Generalsekretär des Bonifatiuswerks. 

Katholiken sind beispielsweise in Norwegen nur eine Minderheit / © mikolajn (shutterstock)
Katholiken sind beispielsweise in Norwegen nur eine Minderheit / © mikolajn ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Warum ist es überhaupt so wichtig, dass Katholiken in Minderheitensituationen unterstützt werden?

Monsignore Georg Austen (Generalsekretär des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken): Das Bonifatiuswerk hat in diesem Jahr seinen 170. Geburtstag gefeiert. Es hatte von Anfang an Ziel und Auftrag, Glaubensbrüder und -schwestern, die in einer Minderheitensituation leben, nicht allein zu lassen. Wir haben das Leitwort: "Keiner soll alleine glauben" – da geht es oft auch darum, Glaubensgemeinschaft zu erfahren, gerade in einer Minderheitensituation.

Aber auch die Weitergabe des Glaubens ist wichtig. Von daher war es von Anfang an Ziel des Bonifatiuswerkes, mitzuhelfen, dass die Menschen in der Diaspora Kirchen bauen konnten und das es Erfahrungsräume in der Gemeinde gab. Die Menschen sollen Glauben erleben und erfahren können, selbst wenn sie oft alleine oder eine sehr kleine Zahl sind und gar nicht die Möglichkeiten haben, zum Beispiel auch finanziell, über weite Entfernungen das Miteinander zu erleben. Da wollen wir mithelfen.

DOMRADIO.DE: Was brauchen die Diasporakirchen? Geht es um monetäre Hilfe?

Austen: Natürlich spielt das Geld eine wichtige Rolle, sozusagen als Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht aber auch darum, Orte zu schaffen, wo ich in Gottesdiensten Glauben feiern kann. Dabei sind die weiten Entfernungen eine Herausforderung. Nicht selten braucht man in den nordischen Ländern zwei bis drei Stunden, um zum Gottesdienst zu fahren.

Aber weite Entfernungen gibt es auch in Deutschland in den ostdeutschen Regionen, wo etwa 80 Prozent der Bevölkerung keiner christlichen Konfessionen angehören. Da helfen wir durch unsere sogenannten BONI-Busse (mobile Glaubenshelfer) mit, dass die Menschen den Gottesdienst besuchen können. Wir helfen bei der Erstkommunion, in der Jugendhilfe, in der Flüchtlingsarbeit, aber genauso auch den Kindergärten. Wir unterstützen jeden katholischen Kindergarten in Ostdeutschland, weil es auch wichtige Lebens-, Lern- und Glaubensorte für Familien sind. Es ist wichtig, dass diese Räume und auch das Personal mit unterstützt werden – gerade in der Seelsorge.

DOMRADIO.DE: Tatsächlich wachsen die kleinen Diasporakirchen, etwa in den skandinavischen Ländern, weil so viele Migranten aus katholischen Ländern dorthin kommen. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Austen: Für unsere Arbeit bedeutet das zunächst einmal einen positiven Aufbruch zu erleben, wenn teilweise aus bis zu 120 Nationen, oftmals Flüchtlinge und Migranten, in diese kleinen Gemeinschaften kommen. Aber da die Länder vielfach finanziell kein Kirchensteuer-System wie wir hier haben oder nicht in dem Maße, wie es notwendig wäre, vom Staat unterstützt werden, bedeutet das nochmal größere Herausforderungen. Die Menschen zu integrieren, ihnen eine geistliche Heimat zu geben, auch mit den Leiderfahrungen, die sie oft mitbringen, das ist Chance und Herausforderung zugleich.

Wir erleben, dass die katholische Kirche in Schweden oder auch in Norwegen teilweise um 15 bis 20 Prozent wächst. Aber diese Internationalität fordert uns natürlich nochmal besonders heraus – durch die unterschiedlichen Glaubensstile, aber auch die Mentalitäten, die dort zusammenkommen. Mich beeindruckt immer, dass oftmals die Andersartigkeit nicht nur als Befremdung, sondern als Bereicherung aufgenommen wird. Für uns bedeutet das, die Menschen in dieser Situation nicht allein zu lassen und ihnen zu helfen.

DOMRADIO.DE: Manche sagen, die Diasporakirchen leben uns unsere eigene Zukunft vor. Da kann man sehen, wie das ist, wenn Katholiken zur kleinen und fast exotischen Gruppe werden. Was können wir uns von diesen Menschen und Kirchengemeinschaften abschauen?

Austen: Das ist schon längst keine Utopie mehr, sondern Realität, wenn Sie in die Landschaften in Deutschland schauen. Es gibt ja nicht nur eine zahlenmäßige Diaspora, sondern auch eine Glaubensdiaspora, wo Menschen aktiv erleben, dass der Glaube das Leben prägt und sie eine Glaubensgemeinschaft erleben. Ich glaube, wir können von ihnen abschauen, mit wenig finanziellen Mitteln auch eine lebendige und einladende Kirche zu gestalten. Wir können von ihnen etwas über Gastfreundschaft lernen, aber wir können auch lernen, auskunftsfähig zu sein über die Inhalte unseres Glaubens – und dort auch Rede und Antwort zu stehen.

Ich glaube, wir können von Ihnen im Blick auf diese Internationalität etwas lernen: nämlich dass wir wirklich eine Weltkirche sind. Da versuchen sie, nicht nur auf sich zu schauen, sondern auch auf die Gesellschaft. Sie machen sich Gedanken, wie sie am Frieden mitwirken können und wie sie Menschen, die eine geistliche Heimat suchen, eine Beheimatung geben können. Diese Herausforderung kommt, glaube ich, in jeder Gemeinde auf uns zu.

DOMRADIO.DE: Morgen beginnt in Paderborn die Vollversammlung der Nordischen Bischofskonferenz. Was wird da im Mittelpunkt stehen?

Austen: Für uns geht es vor allem um den Austausch: Wie entwickeln sich die Länder in Island, Finnland, Norwegen und Schweden? Es wird auch darum gehen, wie wir dort helfen können und was dort in der Pastoral benötigt wird. Wir schauen, was wir voneinander lernen können. Wir werden uns aber auch über Prävention und Aufarbeitung austauschen.

Es wird zudem darum gehen, wie wir Priester unterstützen können. Es gibt ja das Diasporahilfswerk für Priester, die auch eine finanzielle Unterstützung in der Seelsorge brauchen. Wir werden sehen, wie wir Kinder und junge Menschen begleiten können. Wir haben eine große Vernetzung. Viele besuchen inzwischen aus Deutschland über das Bonifatiuswerk diese Länder. Da wollen wir sehen, wie wir die Vernetzung pflegen und einen lebendigen Austausch erleben können. Denn die Beziehung ist neben dem Geld auch das Wichtige, was uns trägt und als Kirche ausmacht.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken (Bonifatiuswerk)
Georg Austen, Generalsekretär des Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken / ( Bonifatiuswerk )
Quelle:
DR