Eine Freiburger Klinik hilft suchtkranken Frauen

Letzte Zuflucht

Die Idylle trügt. Der vor den Toren Freiburgs gelegene Lindenhof, ein ehemaliges Bauernhaus mit Schwarzwaldblick und gepflegten Rosen im Vorgarten, ist kein Feriendomizil - sondern eine auf die Therapie von suchtkranken Frauen spezialisierte Klinik. Wer hierher kommt, versucht einen Neuanfang - ohne Drogen wie Heroin und Alkohol.

Autor/in:
Volker Hasenauer
 (DR)

Bundesweit gibt es nur wenige Suchtkliniken, die ausschließlich Frauen therapieren, noch einmal weniger nehmen auch abhängige Mütter mit Kindern sowie Schwangere auf. Die Ärztinnen, Therapeutinnen und Psychologinnen des Lindenhofs haben in der Behandlung von abhängigen Frauen 20 Jahre Erfahrung. «Wir brauchen für den Kampf gegen die Sucht frauenspezifische Schutzräume», sagt Iris Pfaff von der Klinikleitung. Patientinnen können ihre bis zu zehn Jahre alten Kinder mitbringen. Die Klinik kooperiert mit Kindergärten und Schulen. Ein Modell, das mittlerweile bundesweit zunehmend Nachahmer findet. Auch deshalb, weil sich gezeigt hat, dass Kinder von Abhängigen überdurchschnittlich häufig selbst süchtig werden.

Suche nach dem Neubeginn
Melanie D. ist 32, heroinabhängig und alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern. Ihr Partner starb an einer Überdosis. «Ein erster Entzug in einer gemischten Klinik hatte uns nichts gebracht.» Seit mehr als zehn Jahren bestimmt Heroin ihr Leben. Sie versteckte die Droge vor Familie und Kollegen, versuchte im Job als Steuerfachangestellte zu funktionieren. Bis es nicht mehr ging. Jetzt versucht sie einen Neubeginn - «für mich und die Kinder» - und weiß, dass es ein langer Weg sein wird.

Bis zu zehn Monaten bleiben Patientinnen auf dem Lindenhof, der vom AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation getragen wird, einer Caritas-Fachorganisation im Erzbistum Freiburg. Eine erfolgreiche Therapie ruht auf vielen Säulen und muss «auf vielen Baustellen anpacken», beschreibt Iris Pfaff das Konzept der Klinik. Medizin, Psychotherapie, Sozialberatung, existenzsichernde Maßnahmen, pädagogische Begleitung: Ein weitgefächertes Expertinnen-Team kümmert sich um die Patientinnen - und ist doch nicht immer erfolgreich.

Keine gute Erfolgsquote
Besonders im Bereich der opiat- und mehrfach-abhängigen Patientinnen gibt es viele Therapieabbrüche und Rückfälle. 2008 beendeten 26 von 65 Frauen ihre Therapie vorzeitig: eine Quote, die etwa dem bundesweiten Mittel entspricht. Umgekehrt ist nicht gesichert, dass jede, die eine Therapie bis zum Ende durchsteht, auch dauerhaft clean bleibt. «Manche brauchen vier oder fünf Anläufe. Aber die Forschung hat gezeigt, dass Süchtige bessere Chancen auf Heilung haben als viele andere chronisch Kranke», sagt Gabriele Bartsch von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Nach ihren Angaben gibt es in Deutschland derzeit geschätzte 645.000 Konsumenten von Heroin und anderen illegalen Drogen außer Cannabis. Als alkoholabhängig werden 1,3 Millionen Bundesbürger eingestuft.

Die Droge kommt selten allein
Die medizinische Leiterin des Lindenhofs, Mandalena Perkovic, beobachtet, dass die Patientinnen ihrer Klinik immer kränker, die Therapien damit immer schwieriger werden. «Vor allem die Zahl der psychischen Erkrankungen hat zugenommen. Und wir haben mehr Frauen, die in verwahrlostem und katastrophalem körperlichen Zustand zu uns kommen, die wir erst einmal gesund pflegen müssen», so Perkovic: zuckerkrank oder durch Essstörungen abgemagert, Frauen mit Depressionen und Suizidtendenzen. Prognosen über den Erfolg einer Therapie gibt sie seit langem nicht mehr. «Das habe ich mir abgewöhnt, weil es nichts bringt, man muss im Jetzt arbeiten.»

Etwa mit Susanne W. (41), die alkoholkrank und depressiv ist. Ihre Beziehung scheiterte am Alkohol, aus Einsamkeit und Arbeitslosigkeit wusste sie sich nur mit der Flasche zu befreien. Ihre siebenmonatige Tochter hat das Down-Syndrom und benötigt besonders viel Pflege. Alleine schaffte Susanne W. ihr Leben seit langem nicht mehr. Auf eine erste Therapie folgte der Rückfall, dann ein Autounfall in alkoholisiertem Zustand. Nach den Therapiemonaten im Lindenhof hofft sie auf den Wechsel in eine Mutter-Kind-Einrichtung der Caritas. «Zu Hause wäre mir die Flasche zu nah», sagt sie.