Eine CD mit der Stimme von Benedikt XVI. macht Wirbel

Mission und Mammon?

Eine CD ist erschienen. Man präsentierte sie an geschichtsträchtiger Stätte, auf dem Kapitol in Rom. Auf ihr zu hören sind Stücke eines römischen Vokalensembles unter Leitung eines früheren vatikanischen Chorleiters, Pablo Colino. Tontechniker legten Archivaufnahmen mit der Stimme des Papstes darüber. Die Einspielung, um die es geht, heißt "Alma Mater" und umfasst acht Stücke zu marianischen Themen.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)


Und auch die Präsentation des Werks selbst geriet zu einer Aufführung für Chor und Solist: Über die hymnischen Töne der Produzenten schob sich das trockene Rezitativ von Vatikansprecher Federico Lombardi.

Die Arrangements und Kompositionen besorgten der Brite Simon Boswell, der sich selbst als nicht gläubig bezeichnet, der italienische Katholik Stefano Mainetti und der Marokkaner und Muslim Nour Eddine. Eigentlich keine große Sache - hätte nicht am Anfang die Idee von Don Giulio Neroni gestanden, das ganze Werk als Musikbett für Meditationen des Papstes zu kreieren.

Neroni, so die Entstehungslegende, hörte am 1. Mai 2005 den gerade erst gewählten Benedikt XVI. das «Regina Coeli» singen und sagte sich: Diese Botschaft muss hinaus in alle Welt. Er wandte sich an San Paolo, einen ordenseigenen Medienverlag in Norditalien. Der warb Geffen Universal an, ein internationales Plattenlabel.

Zur Vorstellung hat die Firma mächtig getrommelt, Pressevolk ist zahlreich erschienen. Unter den Bildnissen römischer Kaiser und katholischer Heiliger im ehrwürdigen Julius-Caesar-Saal des römischen Rathauses preist der Moderator Carlo Massarini die selten so gelungene Synthese von gregorianischen Phrasierungen und dem rigideren Taktmaß klassischer Musik. Maestro Colino lobt die treffsichere Stimme des Papstes. Dann erhält Lombardi das Wort.

Vatikan: Keine Koproduktion
Nüchtern verliest der Jesuit eine mehrseitige Erklärung über die Rolle vatikanischer Instanzen bei der Unternehmung. Demnach trat der San-Paolo-Verlag mit der Bitte um päpstliche O-Töne an Radio Vatikan heran, das die Verwertungsrechte verwaltet. San Paolo handelte wiederum einen Vertrag mit Geffen aus. Was den Vatikan betreffe, handle es sich um eine Lizenzvereinbarung des Tonarchivs, keineswegs aber um eine Koproduktion, betonte Lombardi.

Der Kontrakt bezieht sich auf die nichtexklusive Verwendung von insgesamt neun Minuten und 47 Sekunden Mitschnitt verschiedener Gebete und Ansprachen des Papstes. Hinzu kommen sieben Minuten Bildmaterial aus Beständen des vatikanischen Fernsehdienstes CTV. Auch über die finanzielle Seite lässt Lombardi die Welt nicht im Unklaren: Als Gebühr kassierte der Vatikan 25.000 Euro für die Töne und 6.580 Euro für die Filmsequenzen - im Branchenvergleich ein bescheidener Betrag. Geffen-Chef Colin Barlow hingegen will auf Nachfrage kein Umsatzziel für die CD benennen, die neben einer Volksausgabe um 20 Euro auch als «Super Deluxe Box» für rund 110 Euro in den Handel kommt. Ein Obolus vom Verkaufserlös soll für Musikerziehung und Kinderhilfsprojekte abgezweigt werden.

Neue Wege für die Stimme des Papstes
Offenbar schien dem Vatikan eine Klarstellung zu dem Deal mit den Silberlingen nötig. Dabei verteidigt Lombardi die Projektidee: Die Kirche sei stets offen für neue Wege, die Stimme des Papstes und die christliche Botschaft zu verbreiten, so auch seit einem Jahr mit dem eigenen Videokanal bei YouTube.

Nicht alle diese Verkündigungsversuche auf den Marktplätzen der Welt verliefen rundum glücklich. Eine Vorläufer-CD von «Alma Mater», die nach dem gleichen Muster gestrickte Produktion «Abba Pater» mit der Stimme von Johannes Paul II., entwickelte sich offenbar aus vatikanischer Sicht zum Problemkind. Über Details spricht man wenig. Auch eine betuliche Trickfilm-DVD über das Leben des Wojtyla-Papstes hielt nicht ganz, was die externen Initiatoren versprachen. Bei solchen Joint-Ventures mit kommerziellen Anbietern bemüht sich der Vatikan jetzt offenbar um eine sehr klare Trennung zwischen Mission und Mammon. Man will gemäß dem Psalmwort «reine Hände und ein lauteres Herz» bewahren.

Und der Papst? - Hat vermutlich von alledem sehr wenig mitgekriegt. Der Segen zum Projekt stammte aus dem Staatssekretariat, um die Lizenzen für die Stimme des Papstes kümmern sich untere Chargen. Natürlich bekam er eine CD geschenkt. «Ich kann mir vorstellen», so Lombardi, «dass er sie anhören könnte.»